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Die Beschützerin

Die Beschützerin

Titel: Die Beschützerin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Susanne Kliem
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schleuderte es in den Raum. Er traf die Bierflaschen, fegte sie vom Tisch. Er trat gegen den Couchtisch, der über die Dielen schrammte und vor das Sofa prallte. Dann schlug er die Hände vors Gesicht, ich hörte ein ersticktes Schluchzen. Raus hier. Schnell. Der Mann war unzurechnungsfähig. Ich hatte die Klinke schon in der Hand. Hunzicker stand mitten im Raum und weinte. Ich ließ die Tür wieder los, wusste aber nicht, was ich tun oder sagen sollte. Ich hatte Angst, ihn zu reizen. Gut möglich, dass mich der nächste Stuhl traf. Aber seine Wut schien verraucht zu sein. Auf einmal löste er sich aus seiner Erstarrung, ging an mir vorbei in eine kleine Küche. Ich hörte ihn den Kühlschrank öffnen, Flaschen klirrten. Er kam zurück, eine offene Bierflasche in der Hand und ließ sich schwer in den Sessel fallen. Er trank und schwieg.
    Ich stand noch immer bewegungslos an der Tür. Warum gab ich nicht endlich auf und fuhr zurück? Etwas hielt mich hier fest …
    Irgendwann, nach einer Weile, wandte er sich zu mir um, in seinem Blick lag Erstaunen, als wundere er sich, dass ich noch da war. Er atmete laut aus, es klang fast wie ein Stöhnen. »Sie kam zu uns in den Club und wollte Mitglied werden. Ich bin Judotrainer. Sie trug ein schwarzes Kostümchen und Perlenohrringe und hochhackige Schuhe, und ich dachte, was will die denn hier?« Er kippte den Rest des Bieres hinunter. »Sie hat beim Training zugeschaut. Hinterher hat sie mich Löcher in den Bauch gefragt. Welche Trainingsmethode ich anwende. Welche Philosophie ich vertrete. Sie hatte sich mit Judo beschäftigt, das hab ich gleich gemerkt. Sie kannte die Regeln, die Farben der Gürtel. Sie sagte, sie habe seit Längerem vor, damit anzufangen. Sie kam zweimal die Woche zum Abendtraining. Wir hatten niemanden in ihrer Gewichtsklasse. Oft hab ich Einzeltraining mit ihr gemacht. Dabei hat sie sich völlig verausgabt. Einmal hat sie sich nach dem Training übergeben, so fertig war sie.« Er schwieg eine Weile. Ich rührte mich nicht.
    Â»Ich weiß nicht, warum sie mich fasziniert hat«, sagte er dann. »Sie war nicht mein Typ. Ich steh eher auf Frauen, die mit einem in Gummistiefeln durch den Wald stapfen. Sie war so perfekt, diese edlen Klamotten, das Parfüm, das Make-up. Das alles wirkte künstlich auf mich. Wie eine Maske. Als müsse sie sich dahinter verstecken. Sie war … geheimnisvoll. Und das, was ich ihr über Judo sagte oder zeigte, war heilig für sie.« Er warf mir einen kurzen Blick zu. »Das klingt vielleicht bescheuert, aber als Trainer reißt man sich den Arsch auf für seine Schüler, und die meisten wissen es nicht zu schätzen, hören nicht mal zu. Aber sie hat mich bewundert. Sie war so zerbrechlich. Gleichzeitig war sie willensstark. Sie wusste verdammt genau, was sie wollte.« Er setzte die Flasche an, doch sie war leer, und er stellte sie mit einem Knall auf den Tisch.
    Â»Ich hatte ja keine Ahnung, wer sie ist. Dass sie die Frau ist, mit der Kati bei IOMAG zu tun hatte.«
    Er verschwand wieder in die Küche. »Wollen Sie ein Bier?«
    Ich reagierte nicht. Er kam zurück und drückte mir eine eiskalte Flasche in die Hand. »Sie hat mich belogen. Das angebliche Interesse an Judo war geheuchelt. Sie hatte ein anderes Ziel. Hat sich an mich rangemacht. Erst hab ich nicht bemerkt, dass sie flirtet. Bis diese Sache beim Training passiert ist. Ich hatte ihr den Hüftwurf gezeigt, da hat sie mich plötzlich umarmt. Sie hat sich an mich geklammert. Wir waren allein im Studio, und sie fing an, mich zu streicheln. Sie legte ihre Hand auf mein … Ich hab die Beherrschung verloren und hab sie geküsst. Sie hat es wirklich darauf angelegt.«
    Mir schossen Bilder durch den Kopf, die mir Übelkeit verursachten. Vanessa Ott in Gregors Werkstatt, wie sie sich zusammen über einen Tisch beugen und er ihr zeigt, wie glatt sich der Schellack anfühlt. Wie sich ihre Hand seiner nähert und sie, wie zufällig, berührt.
    Ich trank von dem Bier, es war so kalt, dass es in der Speiseröhre schmerzte.
    Christian Hunzicker blickte mich an, seine Augen waren gerötet. »Na, wie hört sich das für Sie an? Ich hoffe, Sie zerfließen vor Mitleid mit mir. Die arme, ahnungslose Beute, die von der bösen Spinne gefangen und gefressen wurde. Ich wünschte, ich würde es selber glauben.«
    Er ließ sich wieder in den

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