Die beste Frau der Space Force
aneinander und blies hinein, ohne das betäubende Kribbeln aus ihren Fingern vertreiben zu können. Die Kälte war grausam. Im Jahrhundert der Zentralheizungen und Klimaanlagen vergaß man manchmal, dass der November schon fast zum Winter gehörte, aber die vergangenen Stunden hatten ihnen diese Tatsache sehr nachhaltig ins Gedächtnis zurückgerufen. Auch die Dunkelheit hatte ihr Fortkommen erschwert. Sie hatte vorher nicht gewusst, wie dunkel eine Nacht in einer Stadt sein konnte, in der sämtliche Lichter ausgefallen waren. Jetzt begann es zu dämmern. Der Himmel im Osten färbte sich grau, und das Licht verschaffte ihr wenigstens die Illusion, dass die grausame Kälte ein wenig nachließ. Die Skyline Manhattans tauchte allmählich aus der Nacht auf, wie eine titanische Riesenhand mit zu vielen und zu eckigen Fingern, die irgendwie anklagend gegen den Himmel ausgestreckt zu sein schienen. Sie wirkten abgestorben, selbst jetzt noch, als sich das erste Licht auf den gläsernen Fassaden der Hausgiganten brach und diese entsetzliche Finsternis endgültig zu vertreiben begann.
So tot wie...
Ja - wie diese ganze Gegend, dachte Charity. Erst jetzt fiel ihr die Totenstille auf. Keine Menschen mehr, keine Geräusche. »Was ist los?« Mike sah sie fragend an. Charity zuckte mit den Achseln und warf ihm einen zugleich hilflosen wie warnenden Blick zu. Niles und die beiden Soldaten waren ebenfalls stehen geblieben. Einer der Männer nahm seine M16 von der Schulter und entsicherte sie. Das metallische helle Klicken hallte unheimlich verzerrt von den Wänden der Straßenschlucht wider. »Nichts«, antwortete Charity mit einiger Verspätung auf Mikes Frage. »Aber es ist zu still.« »Irgend etwas stimmt hier nicht«, sagte der Soldat, der sein Gewehr entsichert hatte. Charity nickte. Es überraschte sie nicht, nicht allein mit diesem mulmigen Gefühl zu sein; und sie war jetzt sehr sicher, dass es keine Einbildung war. Sie hatte oben im Sternenschiff, zusammen mit Soerensen ein ähnliches Gefühl gehabt. Auch der zweite Soldat nahm jetzt seine Waffe von der Schulter, und einen Augenblick später folgten Niles, Mike und Charity seinem Beispiel. Sehr vorsichtig gingen sie weiter. Die Straße erweiterte sich vor ihnen zu einem ovalen, langgestreckten Platz. Alles, was weiter als zwanzig oder dreißig Schritte entfernt war, lag noch in Dunkelheit getaucht. Wieder, wenn auch diesmal nur für Sekunden, empfand Charity dieses sonderbare Gefühl. Dann gewöhnten sich ihre Augen an die veränderten Lichtverhältnisse, und sie sah, was sie bisher nur gespürt hatte. Sie waren da. Für drei, vier, fünf endlose Sekunden war dieser Gedanke alles, was sie denken konnte; eine bloße Feststellung, von einem lähmenden Schrecken begleitet: Sie waren da. Es waren drei - zwei der gigantischen, käferartigen Kreaturen, die sie in der Videoaufzeichnung gesehen hatte, und noch ein drittes, irgendwie unförmiges Ungeheuer, sehr viel größer als die Käfer, das sich aber nicht weit genug aus dem Schutz der Dunkelheit hervorwagte, als dass Charity es genau erkennen konnte. Sie war auch nicht sehr versessen darauf. Die angedeutete Bewegung und die schattenhaften, kantigen Umrisse, die sie sah, waren mehr als genug für ihren Geschmack. Die Tore der Hölle hatten sich geöffnet und spien ihre Ungeheuer aus. »Jesus!« flüsterte Niles neben ihr. »Was in Gottes Namen ist das?« Charity warf ihm einen raschen, mahnenden Blick zu, gleichzeitig wich sie ein paar Schritte in die Straße zurück und presste sich enger gegen die Wand. Sie betete, dass keines der Insektenmonster zufällig in ihre Richtung geblickt hatten. Aus den Augenwinkeln sah sie eine weitere Bewegung in den Schatten auf der anderen Seite des Platzes: eine kleinere, schlanke Gestalt mit zu vielen Armen und einem Gesicht wie aus gehämmertem schwarzem Stahl trat neben einen der elefantengroßen Käfer und begann sich an ihm zu schaffen zu machen. Plötzlich hatte sie Angst. Ganz entsetzliche Angst. Trotzdem funktionierte ein Teil ihres Verstandes noch mit der gewohnten Präzision, jener Teil, den sie in langen Jahren erbarmungslosen Trainings ausgebildet hatte und der ihr jetzt wie ein gefühlloser Computer erklärte, dass sie sich nicht nur in akuter Lebensgefahr befanden, sondern vielleicht auch eine einmalige Chance hatten. Wenn es ihnen gelang, diese drei Monster dort drüben auszuschalten; vielleicht sogar ihren Reiter lebend in die Hände zu bekommen... Sie
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