Die beste Lage: Roman (German Edition)
überquert hatte, mit seinem verächtlichen Lächeln und der langen Zigarre im Mund – dem ersten Accessoire eines texanischen Milliardärs, das er sich in der Erwartung, den Cowboyhut und den Cadillac Eldorado bald dazukaufen zu können, zugelegt hatte –, nachdem er erfahren hatte, dass nach monatelanger Suche einzig und allein auf seinem Land das einträgliche Gas entdeckt worden war. Ein großes, ein riesiges, ein unerschöpfliches Vorkommen, geschätzt auf zehn Milliarden Kubikmeter auf einer Fläche von gut tausend Hektar, und nicht einer – nicht ein einziger! – dieser tausend Hektar lag jenseits der Grenzen seines Besitzes.
Und sicherlich hatte Michelantonio, der allein mehr Land besaß als alle anderen Dorfbewohner zusammen, auch viel mehr Möglichkeiten. Aber erklär das mal diesen Elenden, die, wenn sie ihn musterten, nichts dachten als: »Hat man etwas anderes erwartet?«, »Wer hat, dem wird gegeben«, »Der übliche Glückspilz«, »Immer dieselben«, während er an ihnen vorbeiging und sich vor Freude fast auf die bläulichen Rauchwolken, die er wie eine Lokomotive ausstieß, erhoben hätte, aber dennoch musste dieser ganze Neid, dieser Ärger, dieser Groll, eine Wirkung gehabt haben, denn nun stand er unmittelbar vor dem Verlust des kostbarsten Gutes, das er besaß, seines eigentlichen Lebenszwecks – und das war sein Eigentum .
Um diese Katastrophe abzuwenden, hatte er nichts unversucht gelassen und die Ministerien abgeklappert, nach links und nach rechts Geld angeboten, sich Beamten vor die Füße geworfen und sogar mit Selbstmord gedroht. Dieses Mal jedoch ging es um die ureigensten Interessen des Staates, und die waren zu übermächtig, da-war-nichts-zu-machen … Aber er würde lieber sterben als resignieren. Er musste sich unbedingt etwas ausdenken, eine Möglichkeit, da irgendwie rauszukommen, einen Plan austüfteln. Aber sosehr er sich auch bemühte, ihm fiel einfach nichts ein. Nichts. Das Glück hatte ihn wohl tatsächlich verlassen, sagte er sich in der Toilette, wo er nach einem falschen Alarm hingerannt war in der Hoffnung, sich endlich von dem Scheißepfropf befreien zu können, der ihm, seit man ihm vor nunmehr einer Woche die schreckliche Mitteilung gemacht hatte, die Gedärme verstopfte.
Und damit nicht genug.
Während dieser sieben Tage war ihm praktisch alles passiert, was nur passieren konnte. Beim Aussteigen aus der Straßenbahn hatte er sich den Fuß verknackst, der inzwischen zur Größe einer Melone angeschwollen war, und hatte zudem bemerkt, dass man ihn in derselben Tram um seine Brieftasche erleichtert hatte. Hinzu kam, was ihm am meisten Sorgen bereitete: Er fühlte eine Eisplatte auf den Lungen, und Kälteschauer schüttelten seinen Körper in einer Weise, dass er, als er während seiner Bemühungen auf der Kloschüssel in den Spiegel schaute, die bleiche Maske eines Toten zu erblicken vermeinte. Aber was heißt hier eigentlich Neid? Der böse Blick war das! … Und genau in dem Moment, als ihm diese Worte – der böse Blick ! – durch den Kopf dröhnten, befreite er sich mit einem ungeheuerlichen Furz von dem schrecklichen Scheißepfropf, der bereits die Größe eines Straußeneis angenommen hatte, und endlich durchzuckte ihn die rettende Idee, weil er sich wie das nicht artgerecht behandelte Kamel fühlte, das plötzlich durchs Nadelöhr passte und in das Himmelreich eingehen konnte, was natürlich in dem einen wie im anderen Fall einen gewaltsamen Durchbruch voraussetzte. Nachdem er ihn also gerade aus tiefster Seele verflucht hatte, dankte er jetzt – als guter Christ – Gott für diese Erleuchtung. Nun blieb ihm nur noch zu hoffen, dass er seinen Plan in die Tat umsetzen konnte, bevor seine Enteignung bekannt gegeben wurde.
Eine ungünstige Prognose
Sobald er in Ferrandina war, nahm er zwei Wochen lang praktisch nichts zu sich und verkroch sich in seinen nahe bei der Mutterkirche gelegenen Palazzo, den er nur wenige Male unrasiert und mit immer schlurfenderem Gang verließ, sodass er nicht einmal abwarten musste, bis seine beiden Dienstmädchen – unter dem Namen »die Buckligen« bekannt – das eigentlich geheim zu haltende Gerücht verbreiteten, dass ihr despotischer Padrone von einer schweren Krankheit befallen war. Niemand wunderte sich also – oder bedauerte es gar –, als er eines Sonntagmorgens nach der Messe vor den Augen des versammelten Dorfes zusammen mit seiner gestressten Gemahlin in das einzig verfügbare Mietfahrzeug gehievt und ins
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