Die beste Lage: Roman (German Edition)
schon tat.
Yarno würde nie erfahren, unter welchen Umständen sein Ururgroßvater gestorben war. In gleicher Weise sollte auch Graziantonio besser nicht erfahren, wie der Lebensweg seines Ururgroßvaters begonnen hatte. Das zumindest beschloss Riccardo Fusco, sobald er es herausgefunden hatte. Möglicherweise hätte sich Graziantonio zu einem anderen Zeitpunkt lediglich einen Spaß daraus gemacht: »Ich hatte doch gesagt, dass ich nur von irgendeinem primitiven Hurensohn abstammen kann.« Jetzt aber, da die Kampagne gegen ihn so weit gediehen war, dass ihn just in diesen Tagen eine der auflagenstärksten Zeitschriften als »Fürsten der Neotrampel« bezeichnet hatte, war es wohl nicht ratsam, ihn darüber in Kenntnis zu setzen. Deshalb beschränkte sich Riccardo, als er wieder in Mailand war, darauf, Graziantonio mitzuteilen, dass von seiner Familie gewiss ein adliger Zweig existierte, dass ihm aber, um das zu verifizieren, noch ein paar Puzzleteilchen fehlten.
Dell’Arco hörte ihm kommentarlos, fast angeödet zu. Es war das erste Mal, dass er wirklich deprimiert wirkte. Er machte eine fragende Geste in Richtung Giàcenere und Martin, doch die zuckten ebenfalls nur die Schultern. Offensichtlich gelang es dem »Fürsten der Neotrampel« nicht, sich von dieser jüngst erfolgten »Investitur« zu erholen, die leider viel realer war und schwerer wog als jene, die Riccardo ihm in Aussicht gestellt hatte.
Um ihn aufzumuntern und auf diese Weise sein bereits im freien Fall befindliches Ansehen zu heben, versuchte Fusco, Graziantonios Neugierde dadurch zu wecken, dass er ihm die Fotokopien der Urkunden seiner jüngeren Vorfahren zeigte und alles andere, was er über ihr Leben hatte finden können. Aber es half alles nichts.
Graziantonio hörte ihm geistesabwesend zu, ohne auch nur mit der Wimper zu zucken. Bis Riccardo schließlich, um ein Gespräch abzubrechen, das an diesem Punkt jeden Sinn verloren zu haben schien, mit folgendem Satz herausplatzte: »Bestimmt hätten wir etwas Substanzielleres erreicht, wenn an meiner Stelle ein wirklicher Experte die Sache in die Hand genommen hätte … was weiß ich, meine Freundin Chatryn Wallitriny zum Beispiel.«
Rache – große Rache
Kaum hatte er diesen Namen ausgesprochen, da hellte sich Graziantonios Gesicht auf. Ungläubig staunend fragte er: »Was? Wie bitte? Du willst ein Freund von Chatryn Wally Triny sein … der von den Weinen?«
Riccardo schaute ihn unschlüssig an und antwortete dann achselzuckend: »Weine? Na ja, wir haben schon so manche Flasche miteinander geleert … Aber eigentlich kenne ich sie als Ethnologin.«
»Das hat sie davor gemacht«, warf Martin ein.
»Dann ist sie das wirklich, verdammt noch mal! Und du hast mit ihr gebechert?«
»Wenn du’s genau wissen willst: nicht nur gebechert.«
»Willst du damit sagen, dass ihr etwas miteinander hattet?«
»Das kann man so sagen, ja. Auch wenn ich zu dem Zeitpunkt schon verheiratet war.«
»Und wie seid ihr auseinandergegangen?«, drängte Graziantonio ihn ungeduldig.
»Na ja. Ich hatte ihr nie was versprochen, und sie ist mir sehr gewogen geblieben.«
»›Gewogen‹, sagt er! Ist doch klasse, dieser Fusco!«, jauchzte Dell’Arco. Und gleich darauf: »Also, Riccà, du weißt das offenbar nicht, aber wir sprechen von der einflussreichsten Kritikerin des Wine Spectacle – das ist die Bibel der Trinkkultur –, und du hast mir gerade mitgeteilt, dass sie dir sehr gewogen ist … Habe ich das richtig verstanden?«
»Ja … Chatryn ist mir sehr gewogen«, bekräftigte er achselzuckend.
Graziantonio sprang auf, nahm ihn in die Arme und sagte: »Riccà, wenn du sie überredest, mich in ihrer Rangliste vor diesem Scheißkerl von Yarno zu platzieren … Wenn du es schaffst, mir diesen Gefallen zu tun, Riccà, dann überschütte ich dich mit Gold.« Mit einem Blick in die Runde bezog er Giàcenere und Martin ein und fügte hinzu: »Könnt ihr euch das vorstellen? Ein soeben kreierter Wein, der es auf Anhieb unter die Top 100 des Wine Spectacle schafft, der die italienischen Spitzenweine aussticht, der den Wein dieses Arschlochs übertrumpft … Das wäre ein enormer Imagegewinn! Riccà, lass sie kommen, oder fahr du zu ihr, sieh selbst zu, wie auch immer – kein Problem. Sag mir nur, was du brauchst, und ich bezahle alles. Wichtig ist, dass du mir diese Genugtuung verschaffst, und du kannst mich um alles bitten. Ich sagte: um alles , Riccà.« Dann befahl er Ravi Shankar, zur Feier des Tages
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