Die beste Welt: Roman (German Edition)
aufhielt.
»Wer weiß, was unter diesem Gestein noch alles liegt«, bemerkte Lian nachdenklich. Auch Lian hatte Piedra nicht zu sehen bekommen. »Woher wissen Sie so genau, dass hier taSadiri lebten?«
»Die Steinmetzarbeiten sind denen in Piedra sehr ähnlich, und einige von den Symbolen hier finden sich auch in alten sadirischen Texten«, erklärte Joral. »Es könnte jedoch auch andere …«
Wir erstarrten. Ein Trappeln wie von winzigen Füßchen ließ mich an Riesenspinnen denken – meine Schuld, wieso hatte ich mir auch zwei Abende zuvor mit Joral und Lian mehrere Monsterfilme aus der Prä-Holo-Ära angesehen?
»Steinschlag«, sagte Nasiha knapp, nachdem das Echo verklungen war. »Kleinere Erdbeben kommen in dieser Gegend häufig vor. Kein Grund zur Beunruhigung.«
Ich hätte ihr aufs Wort geglaubt, aber Tarik schaute stirnrunzelnd auf seinen Geosensor. »Den seismischen Daten der Sensoren im Bergwerksschacht nach zu urteilen sollten wir vorsichtig sein. Wie lange brauchen Sie noch für die Aufzeichnungen …?«
Unter unseren Füßen sackte der Boden etwa zehn Zentimeter weit ab und bäumte sich anschließend auf, sodass wir zuerst stolperten und dann atemlos auf den Knien lagen.
»Sofort raus hier«, befahl Tarik, steckte sich den Geosensor an den Gürtel und ergriff den Arm seiner Frau.
Nasiha versuchte, Ruhe zu bewahren. »Warte, die …«
»Gute Idee«, fiel ihr Lian energisch ins Wort.
Wir taumelten den Weg zurück, den wir gekommen waren. Gelegentlich vibrierte der Untergrund, und die hüpfenden Schatten unserer Stirnlampen verwirrten den Blick. So kam es, dass ich von hinten gegen Tarik prallte.
»Was ist?«, fragte Joral scharf.
Er bekam keine Antwort. Panik überkam mich, weil ich fürchtete, der Gang sei blockiert, und Tarik wagte nicht, es uns zu sagen. Doch dann drehten wir uns einer nach dem anderen um und blinzelten durch den Staub nach oben, ohne so recht zu wissen, was wir da sahen.
»Alle Lampen ausschalten«, befahl Tarik.
Die Bergwerksbeleuchtung war weit weg, und ohne unsere eigenen Stirnlampen war kein Irrtum mehr möglich. Ein dünner Lichtstrahl fiel durch den Staub, als hätte jemand mehrere Stockwerke über uns ein Fenster einen Spaltbreit geöffnet.
»Aber wir sind doch so tief unten«, murmelte Lian ehrfürchtig.
»Eine Lichtspalte«, sagte Nasiha. »Der Erdstoß muss einen anderen Teil der Stadt geöffnet haben.«
Lian schaltete die Lampe wieder ein und ließ den Schein über den Boden vor dem Strahl gleiten. Der Weg dorthin war steil, aber nicht unpassierbar. »Ihr bleibt hier, Leute. Wir sehen nach, ob es etwas gibt, was man erkunden sollte.«
Ich zauderte, war mir nicht sicher, ob ich unter »Leute« oder unter »wir« eingeordnet werden wollte, doch als Joral sich Lian anschloss, gewann die Neugier die Oberhand. Ich entschuldigte mich mit einem Blick bei Nasiha und eilte den beiden nach. Als ich sie atemlos an der Lichtquelle einholte, kauerten sie neben dem Spalt und starrten wie gebannt hindurch. Ich hockte mich daneben und spähte ebenfalls hinein. Vor mir lag eine riesige Höhle, die von dicken verspiegelten Glasröhren erhellt wurde. Einige der Röhren waren matt und dunkel – vielleicht von Erde verschüttet, wo sie eigentlich ins Sonnenlicht ragen sollten –, aber ausreichend viele taten noch ihren Dienst. So konnten wir erkennen, dass die Straße, über die wir soeben gekommen waren, nicht mehr war als eine kleine Seitengasse. Hier war das Herz der Stadt, ihr forum magnum . Ich nahm auf Video auf, was ich sehen konnte, dann streckte ich den Arm durch die Spalte, um noch mehr erfassen zu können.
Lian zerrte an den Steinen am Rand der Öffnung, um mehr Platz zu schaffen. »Mal sehen, vielleicht kommen wir hinunter.«
An den Wänden der Höhle klebten Balkone, die untereinander mit Treppen verbunden waren. Lian zwängte sich durch den Riss und kletterte vorsichtig ein paar Meter Felswand hinab, bis zu einem Balkon.
Ich wurde nervös. »Das ist sicher gefährlich«, warnte ich. »Joral, haben Sie nicht vielleicht ein Seil in Ihrem Rucksack?«
»Eine sehr gute Idee«, lobte er. Auch ihm war nicht wohl in seiner Haut. Er kramte ein dünnes Seil hervor, befestigte ein Ende an einem Felsvorsprung und ließ das andere zu Lian hinab. Lian fing es auf und hakte es kommentarlos an einer Gürtelschlaufe ein.
»Zumindest Tarik sollte das sehen«, sagte ich. »Ich gehe zurück und bleibe bei Nasiha, damit er heraufkommen kann.«
Der Wechsel wurde vollzogen,
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