Die beste Welt: Roman (German Edition)
Geburtstag, noch gibt es sonst einen besonderen Anlass – was ist los?«
Ich lächelte. Wenigstens schien sie sich zu freuen. »Nur die Arbeit. Ich muss für ein paar Tage nach Montserrat. Kann ich vielleicht auf einen kurzen Besuch vorbeikommen?«
»Aber ja!« Das klang atemlos und kam aus vollem Herzen. »Die Kinder werden begeistert sein, besonders Rafi, und Ioan beklagt sich ohnehin andauernd, dass du dich nie blicken lässt.«
Mir wurde leichter ums Herz. Meine Bedenken waren unbegründet. »Schön. Sag ihnen nichts; ich will sie überraschen! Bist du einverstanden, wenn ich … sagen wir, in etwa drei Stunden bei euch im Hinterhof lande?«
Sie fing an zu kichern. »Klar! Wer hätte das gedacht! Ich kann es nicht fassen. Oh!«
Im Hintergrund ließ sich eine Stimme vernehmen. Sie drehte sich rasch um und schaltete dabei den Bildschirm aus. »Nichts, mein Schatz! Ich komme gleich!« Ich hörte sie noch hastig flüstern: »Ich muss gehen! Bis bald! Mach’s gut!« Und schon hatte sie aufgelegt.
Ich seufzte und musste ein wenig lächeln. Blut ist eben doch dicker als Wasser. Man hat zu viel miteinander erlebt, und das wirre Netz mit Namen Familie, das einen einengt, aber auch trägt, hat zu viele Maschen, als dass man sich jemals vollends daraus befreien könnte.
Apropos …
»Dllenahkh«, sagte ich, kehrte in den vorderen Teil des Shuttles zurück und setzte mich wieder. »Ich werde Sie für zwei Tage verlassen, aber Sie haben meine Kommunikator- ID und können mich jederzeit anrufen. Das wissen Sie doch, nicht wahr?«
Er schien etwas irritiert. »Ich habe die Kommunikator- ID s von allen Mitgliedern des Missionsteams. Aber ich bin auf dem Weg in ein Kloster, und dass dort in den nächsten zwei Tagen etwas passiert, was ich unbedingt melden müsste, ist eher …«
»Ich weiß, ich weiß«, unterbrach ich ihn mit breitem Lächeln. »So unwahrscheinlich es auch sein mag, Sie können mich jedenfalls anrufen, klar?«
Er zögerte, dann schien ihm etwas einzufallen, und er sagte huldvoll: »Ich danke Ihnen. Auch Sie können mich gern anrufen, wenn Sie wollen.«
Ein rührend unbeholfener Versuch, mir zuliebe Konversation zu machen.
Als wir gelandet waren, wartete ich förmlich darauf, dass der Sadiri-Priester herausgestürmt käme, Dllenahkh am Kopf fasste, ihm tief in die Augen schaute und riefe: »Gütiger Himmel, der Mann muss in einen Meditationsraum, und zwar sofort! Seht ihr denn nicht, dass seine rudimentäre telepathische Abschirmung gleich zusammenbricht?«
Oder auch nicht. Das Bild reizte mich zum Lachen, und das wäre sehr unpassend gewesen.
Natürlich lief alles sehr gemessen und würdevoll ab. Ich stellte fasziniert fest, dass die Sadiri-Mönche sich nicht allzu sehr von den Benediktinern unterschieden. Sie hatten zwar eine andere Tracht, aber sie lebten nicht in einem eigenen Gebäude, und es gab keine unsichtbare Grenze mit der Aufschrift: »Hier hausen Sadiri!« Der cygnische Hospitarius und sein sadirischer Kollege zeigten uns Dllenahkhs Zelle, servierten uns im Refektorium eine kleine Erfrischung und begleiteten Fergus und mich anschließend zur Tür, wo wir uns von Dllenahkh verabschiedeten.
Der Flug zur Siedlung dauerte keine zehn Minuten. Ich bat Fergus, mich in einiger Entfernung vom Wohnhaus abzusetzen, damit die Familie nicht vom Geräusch der Triebwerke gewarnt würde. Sinnigerweise verschaffte ich mir damit die Gelegenheit, über einen meiner Lieblingsmenschen auf dieser Welt zu stolpern, meinen dreizehn Jahre alten Neffen Rafi. Er kam mit einem Eimer voller Sternfrüchte vom Obstgarten her. Zuerst blinzelte er ziemlich verdutzt, doch dann kam ihm die Erkenntnis und verwandelte sein Gesicht in einen einzigen Glücksschrei mit großen Augen und offenem Mund. Er ließ den Eimer fallen und rannte auf mich zu. Seine überschäumende Herzlichkeit brach über mich herein wie ein heißer Steppenwind, und seine glühende Energie tat meiner Seele ebenso wohl wie seine jungenhaft derbe Umarmung.
Rafi ist ein hübscher Junge, er hat die bernsteinfarbene Haut seiner Mutter, das wellige braune Haar mit den blonden Strähnen seines Vaters und die großen braunen Augen beider Eltern geerbt. Er ist mein Patensohn, und ich vergöttere ihn. Früher schrieb er mir lange Briefe mit Zeichnungen und Geschichten, die er mit der Post schickte, sodass sie mindestens eine Woche unterwegs waren. Ich schrieb immer sofort zurück und legte gewöhnlich eine kleine Speicherdiskette mit Spielen und anderen
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