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Die beste Welt: Roman (German Edition)

Die beste Welt: Roman (German Edition)

Titel: Die beste Welt: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Lord
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bemerkte ich, wie Lian mich beobachtete und in sich hineinlachte.
    Lian machte sich nicht nur ungeniert über mich lustig, sondern war auch sonst ungewöhnlich gesprächig. »Die Familie meiner Mutter stammt aus dieser Gegend. Den Legenden zufolge gibt es hier abgelegene Klöster, wo die Mönche auf dem Wasser wandeln und über die Baumwipfel fliegen können.«
    Tonio verdrehte die Augen, nicht sarkastisch, sondern voller Schalk. »Die Familie meines Vaters kommt von hier, und es gibt Geschichten über riesige Steinstatuen, die mit irgendeinem Körperteil auf die geheimen Eingänge uralter Tempel zeigen. Außerdem wird von detailgenauen, anatomisch korrekten Zeichnungen an den Wänden dieser Tempel berichtet, die die zweiundsechzig im Ehegesetz empfohlenen Stellungen beim Geschlechtsakt demonstrieren.«
    Ich wandte mich hastig ab und biss mir auf die Lippen, um nicht herauszuplatzen. Lian neckte mich andauernd damit, dass ich über alles lachte, was Tonio sagte.
    Schon nach wenigen Minuten mussten wir den ersten Fluss überqueren. Die Elefanten waren ausgezeichnete Schwimmer, sie gelangten selbständig und ohne große Mühe durch das tiefe Wasser ans andere Ufer, indem sie ihre langen Rüssel als Schnorchel benutzten. Wir Zweibeiner erreichten es trockenen Fußes über einen kleinen Steg aus Seilen und Holz, und wenn man davon absah, dass ein Ritt auf einem nassen Elefanten ein zweifelhaftes Vergnügen war, ging alles gut.
    Beim zweiten Fluss sah die Sache anders aus.
    »Wo kommt denn das viele Wasser her?«, fragte Lian mit einem erschrockenen Blick auf die schäumenden Fluten.
    Man konnte es hier noch nicht direkt einen Wasserfall nennen, aber für einen gewöhnlichen Flusslauf war es schon zu abschüssig. Es gab zwei Stege: einen hohen, der weit über dem aufgewühlten Wasser flussaufwärts an zwei Bäumen befestigt war; und einen niedrigen mit verdächtig nassen Brettern, der unmittelbar an den Ufern auflag. Dort war die Strömung nicht so stark, das Wasser war tiefer und es gab weniger Felsen, doch als ich näher kam, musste ich schlucken. Diese Brücke war keine Brücke, sondern lediglich eine Aussichtsplattform über bergab schießende Wassermassen.
    »Wir nehmen die hohe Brücke«, entschied der Mahout.
    Joral schaute hinauf zu den tief durchhängenden, schwankenden Seilen, die stellenweise ausgefranst waren. »Die scheint schon seit längerer Zeit nicht mehr gewartet worden zu sein«, stellte er fest.
    »Die niedrige Brücke ist zu gefährlich«, beharrte der Mahout. »Wir schwimmen mit den Elefanten.«
    Normalerweise hätte ich gesagt: Hört auf den Mann. Schließlich waren es sein Land, sein Fluss und seine Elefanten. Aber diese reißenden Stromschnellen waren alles andere als Vertrauen erweckend.
    Tonio zuckte die Achseln. »Ich bleibe lieber trocken«, verkündete er und betrat leichten Fußes die niedrige Brücke. Sie schwankte ein wenig, was uns verriet, dass die Konstruktion nicht mit Holzplanken, sondern mit Seilen an den Uferplattformen befestigt war, aber er kam heil drüben an. Joral und Lian folgten ihm rasch hintereinander. Inzwischen hatte der Mahout ohne Rücksicht auf den allgemeinen Widerstand gegen seine Entscheidung die Elefanten ins Wasser getrieben und glitt mit lockeren Schwimmbewegungen neben seinem eigenen Tier durch den Fluss. Dllenahkh zog eine Augenbraue hoch und sah mich an. »Was ist, wollen Sie nicht mitkommen?«, lautete die stumme Frage. Immer noch mit einem flauen Gefühl in der Magengrube wagte ich mich vor ihm auf die Brücke.
    Wir hatten kaum die Hälfte des Weges zurückgelegt, als sich ein Grollen näherte wie von einem Gewitter.
    Dllenahkh beschleunigte seine Schritte und versetzte damit die Brücke in Schwingungen. Ich stolperte. Er nahm kurz meinen Arm, um mich zu stützen, und ermunterte mich mit einem leichten Schubs zum Weitergehen. Weißes Wasser schoss den Hang herab und raste erschreckend schnell auf uns zu. Unter mir begannen die Holzplanken zu erbeben, aber die Panik trieb mich vorwärts. Hilflos und wie in Trance sah ich das Wasser über und unter die Brücke wogen, der Steg kippte und stellte sich senkrecht.
    An den Sturz erinnere ich mich noch. Der schwere Rucksack riss mich sofort nach hinten. Auf dem Rücken liegend, sah ich zwischen meinen Füßen das weiß schäumende Wasser, ich sah Dllenahkhs Hand rasch nach mir greifen, sah seine Finger an meinem linken Bein nach unten gleiten und sich um den Knöchel schließen. Sein Gesicht verriet nicht die

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