Die beste Welt: Roman (German Edition)
es kaum erwarten, die neue Sadiri-Generation zu begrüßen.«
Gewiss war er ebenso in Hochstimmung wie ich, aber in der Öffentlichkeit, auf einer Straße, wo Menschen vorbeigingen, ließ sich das Glücksgefühl besser mit leisem Gelächter und sanftem Spott auf Kosten unserer Kollegen zum Ausdruck bringen. Qeturah hätte von Übersprunghandlungen gesprochen, und Nasiha hätte ihr beigepflichtet, aber ich konnte ihn ja nicht gut in die Arme schließen und abküssen. Das wäre noch schlimmer gewesen, als Joral zu umarmen.
Andererseits … es dämmerte schon, wir standen auf einer Allee unter einer Straßenlaterne, die soeben aufgeflackert war, und ich kam mir plötzlich vor wie in einem Holovid an der Stelle, wo Ella Fitzgeralds Stimme im Hintergrund anschwillt. Ich trat näher an ihn heran, zögerte kurz und überschritt dann eine unsichtbare Schwelle. Er musterte mich besorgt, wich aber nicht zurück, die Neugier war wohl stärker als alle Gebote des Anstands. Ich stellte mich auf die Zehenspitzen, schloss halb die Augen, hielt mit der Nase kurz vor seinem Halsansatz inne, ohne ihn irgendwo zu berühren, und atmete seinen Geruch tief ein. Dann trat ich mit einem zuckersüßen Lächeln zurück
Seine Augen folgten mir, immer noch misstrauisch, aber auch fasziniert und verwundert. »Wenn die Frage erlaubt ist … warum haben Sie das getan?«
Seine Stimme war tiefer geworden, und mich überlief – ich will es gestehen – ein kleiner wohliger Schauer. »Nur zur Sicherheit, Ratsherr«, sagte ich, wieder ganz Dame. »Ich wollte mich vergewissern, dass ich Nasiha gegenüber zu Recht behauptet habe, ich hätte in keiner Hinsicht etwas gegen Sie einzuwenden.«
Ein Jahr, sieben Monate und fünfzehn Tage nach der Stunde null
Lian sprach selten mit ihm, vielleicht, um Begegnungen mit Joral zu vermeiden, vielleicht aber auch in Erinnerung an jenen Tag, als der Korporal ihn, Dllenahkh, mit der Pistole hatte zwingen müssen, sich an die Anweisungen zu halten. Dllenahkh nahm das nicht übel. Lian verhielt sich vollkommen professionell, blieb meistens an der Seite der Missionsleiterin und verkehrte privat nur mit Delarua und Fergus.
(Er hatte sich einmal gefragt, ob Lians abweisende Haltung auf einer leichten Abneigung gegen alle Sadiri beruhen könnte, hatte aber diesen unwillkommenen Gedanken rasch von sich gewiesen.)
Wenige Tage nach den tiefgreifenden Umwälzungen innerhalb des Teams ging er in seine Unterkunft. Joral war dort und starrte wie gebannt auf ein schlicht verpacktes Kästchen, das auf seinem kleinen Schreibtisch stand.
»Was ist das, Joral?«, erkundigte er sich.
»Korporal Lian hat es für Sie abgegeben«, sagte Joral, ohne den Blick davon zu wenden.
Dllenahkh runzelte verwundert die Stirn, schob Joral sanft beiseite und öffnete das Kästchen. Auf einer dicken Polsterschicht lag ein Kärtchen. Darauf stand:
Für Ratsherrn Dllenahkh
in Dankbarkeit
Lian
Vorsichtig schob er das Füllmaterial auseinander.
»Oh …«, machte Joral und verstummte.
»Wo hat Lian das gefunden?«, staunte Dllenahkh. Es war eine Flasche mit sadirischem Branntwein, erst drei Jahre alt, was für diese spezielle Marke nicht viel war, aber immer noch unglaublich wertvoll. Eines der letzten Erzeugnisse einer Brennerei, die nicht mehr existierte.
»Ich … ich habe vielleicht eine entsprechende Bemerkung gemacht«, gestand Joral.
Es klang unglücklich. Dllenahkh sah ihn überrascht an, doch gleich darauf verstand er. Lian hatte mit Joral gesprochen, Fragen gestellt, erstmals Interesse gezeigt, und ihn doch bloß aushorchen wollen. Das Leben konnte grausam sein.
Er räusperte sich. »Eine freundliche Geste, die sich gewiss darauf bezieht, dass es uns gelungen ist, Delarua im Team zu behalten. Wir sollten …« Er hielt inne und legte Joral eine Hand auf die Schulter, um ihm seine Sorge, sein Bedauern und seine Ermutigung besser übermitteln zu können. »Wir sollten uns jetzt ein Schlückchen gönnen. Den Rest trinken wir auf deiner Hochzeit.«
Das trinken wir auf deiner Hochzeit. Ein verbreiteter Scherz unter den Sadiri, ob jung oder alt, verheiratet oder ledig, um jemandem auf indirekte Weise alles Gute zu wünschen. In diesem Moment klang der Satz hohl und fremd.
»Oder auf der Ihren, Ratsherr«, antwortete Joral tapfer. »Sie haben die besseren Aussichten.« Keine Spur von Bitterkeit, er wollte ihn nur ein wenig foppen.
»Dann eben auf deiner und meiner.« Dllenahkh ging auf das Spiel ein. »Schließlich muss ich ein
Weitere Kostenlose Bücher