Die beste Welt: Roman (German Edition)
Horizont präsentierte sich ein Sonnenuntergang in überwältigenden Technicolor-Farben, und die Luft war geschwängert vom Geruch nach Meerwasser. Er setzte mich vorsichtig ab und schaute mir sehr konzentriert und eindringlich in die Augen – offensichtlich war sein Gelehrtengehirn gerade mit einer enormen Analyse von Daten oder mit einem besonders komplizierten Problem beschäftigt. Ebenso vorsichtig legte er mir den gekrümmten Zeigefinger unter das Kinn, schloss die Augen und näherte seine Lippen meinem Mund.
Im gleichen Augenblick wurde es dunkel.
Als ich die Augen aufschlug, sah ich beglückt das profane Gestänge einer mobilen Unterkunft über mir und spürte ein Standard-Feldbett unter meinem Rücken. Ich stöhnte. Eine Ausblende? Wann hatte es in meinen erotischen Träumen je im entscheidenden Moment eine Ausblende gegeben? Und wann waren sie überhaupt je so brav und kitschig gewesen? Wilde Trips waren eine bekannte Nebenwirkung der Stimulanzpflaster, aber dieser Traum war einfach nur gruselig. Ich wollte mich nicht weiter mit dem Treiben meines Unterbewusstseins beschäftigen, also raffte ich mich auf und beschloss, den Tag zu beginnen.
Ich wusch mich mit kaltem Wasser, um etwas munterer zu werden, zog mich an und schleppte mich nach draußen. Lian saß vor einem Campingkocher, und ein köstlicher Duft hing in der Luft.
»Qeturah meinte, ich sollte Sie nicht wecken, deshalb habe ich Ihnen das Frühstück warm gehalten.« Mit schwungvoller Geste nahm Lian den Deckel von einem Teller mit Pfannkuchen ab.
Ich beäugte die Szene zunächst mit Misstrauen und wartete darauf, dass Lian in Gesang ausbräche oder die Pfannkuchen wegflögen, doch als alles normal blieb, murmelte ich aufrichtig erleichtert: »Sie sind ein Engel!«, und nahm mit knurrendem Magen Platz.
»Wie spät ist es denn? Und wo sind die anderen?«, würgte ich zwischen großen Bissen Pfannkuchen mit Sirup hervor.
»Sie schließen den Besuch in Piedra ab«, antwortete Lian mit einer unbestimmten Handbewegung in Richtung Süden. »Es ist fast Mittag; das Shuttle müsste bald zurück sein.«
»Das ging aber schnell!«, staunte ich. »Ich weiß, es war ein Höflichkeitsbesuch, wir haben schon so viele Daten über diese Kolonie, aber ich dachte, wir wollten über Nacht bleiben, nicht bloß einen Tag.«
Lian sah mich erstaunt an. »Sind wir doch.«
»Was sind wir?«
»Wir sind über Nacht geblieben.«
»Wie? Wann? Ohne mich? «
»Immer mit der Ruhe. Niemand erwartet, dass Sie nach den gestrigen Strapazen sofort wieder auf dem Damm sind.«
Ich sah ihn fragend an. »Was für Strapazen?«
Lian drückte auf seinen Armbandkommunikator, zischte sekundenlang hinein und wandte sich mit einem Lächeln, hinter dem die Panik lauerte, wieder an mich. »Möchten Sie sich nicht wieder hinlegen?«
Zwanzig Minuten später war das Shuttle da. Ich bekam es mit der Angst zu tun, nicht wegen der besorgten Blicke und hochgezogenen Augenbrauen, sondern weil mich Qeturah, Dllenahkh, Nasiha und Tarik so atemberaubend schnell auf eine Behandlungsliege verfrachteten und mir den Kopf über und über mit Sensoren spickten. »Äh, könnte mir vielleicht jemand sagen, was passiert ist?«
»Was ist das Letzte, woran Sie sich erinnern?«, fragte Dllenahkh ruhig, während Qeturah die Liege umkreiste und Messgeräte einstellte, Nasiha die Anzeigen auf dem Monitor mit den Daten auf ihrem Terminal verglich und Tarik aufgeregt auf sein Terminal starrte, das vermutlich die Referenzwerte anzeigte.
»An diese nächtliche Sitzung, in der es darum ging, ob es angesichts der lebhaften sadirischen Traditionen der Wandernden Sippen zu vertreten sei, sie trotz ihres geringen genetischen Potenzials in unseren Missionsplan aufzunehmen. Äh, ich wollte das schon seit Längerem ansprechen. Sie wissen doch, dass wir Cygnier mehr Schlaf brauchen als die Sadiri, nicht wahr? Ich fürchte nämlich, ich habe in letzter Zeit etwas zu wenig davon abbekommen, und sosehr es mir schmeichelt, bei allen Ihren Beratungen anwesend sein zu dürfen, wäre es vielleicht möglich, dass ich nur hinterher die Protokolle lese und meine Meinung in einer Randnotiz dazufüge?«
»Danach nichts mehr?«, fragte Qeturah und wedelte mit einem Scanner vor meinem Gesichtsfeld hin und her.
»Abgesehen von einigen sehr lebhaften Träumen und einem nicht allzu geruhsamen Schlaf ist das Frühstück heute Morgen das Nächste, woran ich mich erinnere. Ein Frühstück, das ich im Übrigen nicht beenden konnte. Darf
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