Die beste Welt: Roman (German Edition)
sogar, das Gewandtuch um Kopf und Schultern zu legen und mit der Spange zu befestigen.
»Ein ungewöhnliches Stück«, bemerkte er.
Seine Hand ruhte auf der Spange, die die Form eines Kolibris hatte. »Nasiha hat sie für mich ausgesucht.«
»Sehr passend.«
»Nasiha hat einen ausgezeichneten Geschmack«, pflichtete ich ihm bei.
Ich stellte mich, hoch aufgerichtet wie eine Sadiri, vor den Spiegel und betrachtete mich ein letztes Mal. Dann rang ich etwas theatralisch die Hände und schüttelte sie aus. »Sehen Sie sich das an. So nervös war ich nicht einmal vor meiner ersten Bewerbung um einen Regierungsposten.«
Dllenahkh drehte mich zu sich um und fasste meine Hände. Der sanfte Griff seiner warmen Finger flößte mir augenblicklich Selbstvertrauen ein. Allein mit seinem Blick brachte er mich dazu stillzuhalten, und dann wartete er, bis meine Stirn sich glättete, meine Schultern sich entspannten und meine Lippen sich zu einem zaghaften Lächeln verzogen. »Ich halte sehr viel von Ihnen, Grace. Und ich bin ganz sicher, dass ich mich in Ihrem Charakter nicht getäuscht habe.«
»Ich danke Ihnen, Dllenahkh«, flüsterte ich.
Das Telekonferenzzentrum musste technisch auf dem neuesten Stand sein – die Verbindung von Karaganda nach Tlaxce City war glasklar. Das hieß, dass ich nicht – in der irrigen Annahme, nicht vollständig im Bild zu sein – mit den Füßen scharren oder an den Fingernägeln knibbeln durfte. Ich stellte mich allein ans Kopfende eines Konferenztischs und wartete auf das Holo meines Gesprächspartners. Als es erschien, sah ich, dass er sich bereits gesetzt hatte. Er nickte mir freundlich zu und forderte mich mit einer Handbewegung auf, ebenfalls Platz zu nehmen. Ich schlug möglichst elegant die Beine übereinander, und wartete geduldig darauf, dass er als der Ältere das Wort ergriff.
Denn er war alt, nicht nur an Jahren, und in seinen Augen stand eine so unendliche Traurigkeit, als hätte er nicht bloß einen Planeten, sondern eine ganze Galaxis verloren. Er erinnerte mich an die Mönche in den Bergwäldern des Nordens, denn seine Hände waren stets in den langen, weiten Ärmeln seiner Uniform verborgen, und sein Kopf war kahl geschoren. Er lächelte weder, noch runzelte er die Stirn, aber er wirkte so auffallend gelöst, dass ich mich fragte, ob sich die steife Würde der Sadiri im Lauf der Zeit womöglich aus den Gesichtern verflüchtigte.
»Grace Delarua«, sagte er. Es war keine Begrüßung, sondern eine nachdenkliche Feststellung. »Erzählen Sie mir von sich.«
»Ich habe früher für die Zentralregierung gearbeitet«, begann ich. »Von der Ausbildung her bin ich Biotechnikerin, aber seit Längerem hauptsächlich damit betraut, die Beziehungen zu den Sadiri zu pflegen. So kam es, dass ich in dieser Mission landete. Ich helfe den Sadiri, verschiedene Enklaven auf Cygnus Beta daraufhin zu untersuchen, ob sich darin etwas von Sadira erhalten hat. Aber ich denke, das wissen Sie bereits.«
»Jaaaa.« Er dehnte die Silbe lange aus. »Das war nur als Eisbrecher gedacht, wenn Sie so wollen. Sagen Sie, Grace Delarua, arbeiten Sie gerne mit den Sadiri zusammen?«
Ein Sadiri-Ältester, der das Eis brechen wollte? Ich war so verblüfft über diesen Versuch, mir die Befangenheit zu nehmen, dass ich fast noch nervöser geworden wäre, aber ich ließ mich nicht einschüchtern. »Ja, Ältester. Sie sind vernünftig und tüchtig, deshalb kann man gut mit ihnen zusammenarbeiten.«
»Sie haben also … nicht einfach bloß Mitleid?«
»Mitleid …? Ach so!« Ich hatte tatsächlich einen Moment gebraucht, um zu begreifen, dass er auf die Katastrophe anspielte. »Nun, natürlich wollen wir alle helfen, so gut es geht, aber das ist wohl nicht meine Hauptmotivation. Ich würde auch mit ihnen zusammenarbeiten, wenn Sadira nicht zerstört worden wäre – allerdings hätten sie in diesem Fall kaum einen Grund, sich mit mir abzugeben.«
Es zuckte um seine Lippen, doch wo sie bei Dllenahkh sofort zu einer streng disziplinierten Geraden zurückgekehrt wären, blieben sie bei ihm leicht amüsiert nach oben gezogen und sanken erst ganz allmählich zu dem üblichen Ausdruck neutraler Professionalität zurück.
»Wie würden Sie Ihr Verhalten auf Kir’tahsg heute bewerten?« Der Ton war durchaus neutral , doch plötzlich lag Spannung in der Luft. Ich begriff, dass das die Frage war, derentwegen man mich hierherbestellt hatte. Um eine aufrichtige Antwort kam ich nicht herum.
»Ein Freund sagte mir
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