Die beste Welt: Roman (German Edition)
einmal, das Gefühl, unbesiegbar zu sein, verleite dazu, nicht um Hilfe zu bitten. Mir scheint, diesen Fehler habe ich mehr als einmal begangen, und es könnte auch in diesem Fall so gewesen sein. Ich kann verstehen, dass die Missionsleiterin enttäuscht war, weil ich ihr nicht zutraute, die Angelegenheit auf dem Dienstweg zu klären. Ich hätte in einem früheren Stadium, als noch etwas zu retten war, um Hilfe oder um Rat bitten können. Das habe ich versäumt. Ich habe so getan, als wäre ich die Einzige, die diese Aufgabe erfüllen konnte. Das war im Rückblick betrachtet ein Fehler.«
Sein ernstes Nicken verriet nichts; es war ebenso neutral wie seine Frage.
»Aber«, sagte ich langsam.
Er forderte mich zum Weitersprechen auf, indem er stumm eine Augenbraue hochzog.
»Aber ich bin zum überwiegenden Teil Terranerin, und das heißt, dass ich nicht immer vernünftig und methodisch oder auch nur angemessen handle. Manchmal lasse ich mich von meiner Intuition leiten. Sosehr ich es bedaure, so bin ich nun einmal, und letzten Endes kann ich nicht mehr tun, als die Verantwortung für die Folgen zu übernehmen.«
Bei einem Holovid entgeht mir gewöhnlich vieles, weil ich mich in Gegenwart von anderen unbewusst auf meine Empathie verlasse, aber die Wärme in seinen Augen war nicht zu übersehen. »Ich danke Ihnen, Grace Delarua. Könnten Sie nun Ratsherrn Dllenahkh bitten, für einen Moment zu mir zu kommen?«
Ich stand auf, verbeugte mich und stolperte wie in Trance hinaus, um Dllenahkh Bescheid zu geben. Er blieb viel länger im Raum als ich. Als er herauskam, wirkte er ausgesprochen nachdenklich und deutlich beunruhigt.
»Was hat Sie denn so lange aufgehalten?«, fragte ich ängstlich. »Hat er etwa seine Meinung geändert?«
»Nein, nein«, versicherte Dllenahkh hastig. »Wir haben gar nicht über Sie gesprochen. Der Konsul ist … ein alter Freund von mir. Wir haben uns über andere Dinge unterhalten.«
Ich sah ihn forschend an. »Äh … Dllenahkh, Sie scheinen mir etwas … verunsichert. Ist wirklich alles in Ordnung mit Ihnen?«
Er nickte entschieden, aber sein Blick war in die Ferne gerichtet, und er war mit seinen Gedanken eindeutig anderswo. »Ja. Alles in bester Ordnung.«
Dieser bestimmte Tonfall kam mir bekannt vor. Ich hatte ihn selbst oft genug eingesetzt. »Wollen Sie darüber sprechen?«
»Ich glaube nicht …«, begann er, verstummte dann und sah mich endlich offen an. »Wenn ich kann, werde ich es tun. Irgendwann einmal, aber nicht jetzt.«
»Einverstanden«, nickte ich. Es beruhigte mich, dass er eher erstaunt als verstört wirkte, so als hätte ihn das Gehörte zwar überrascht, aber nicht erschüttert. »Und wie«, ich wechselte das Thema, »wollen wir uns nun bis zum Abend die Zeit vertreiben?«
Wie sich herausstellte, gab es in Karaganda vorzügliche Museen und Kunstgalerien. Wir vertrödelten aufs Angenehmste zwei Stunden und waren gerade auf der Suche nach einem Café, als Dllenahkhs Kommunikator ertönte. Er blieb auf dem Gehsteig stehen, warf mir einen raschen Blick zu und nahm den Anruf entgegen. Seine Antworten waren knapp und keineswegs erhellend, aber wie sich sein Rücken straffte, sein Kopf hochging, wie er langsam den Atem einzog und seine Brust sich weitete – das alles summierte sich zu einem positiven Ergebnis.
»Bin ich drin?«, fragte ich leichthin, als er den Kommunikator ausschaltete.
»Man hat sich mit der Zentralregierung und mit der Missionsleiterin beraten, und obwohl Ihnen jegliche wissenschaftliche Forschung untersagt ist … ja, Sie sind drin. Man hat Sie mir für die Dauer der Mission als Kulturattaché zugewiesen. Danach … werden wir sehen.«
Ich senkte den Kopf und lachte vor lauter Erleichterung lange und leise in mich hinein. »Ich arbeite also wieder wie zu Anfang mit Ihnen zusammen.«
»Wollen Sie es Nasiha sagen, oder soll ich es tun?«, fragte er verschmitzt. Alberner konnte kein Sadiri sein. »Wenn Sie die richtigen Worte finden, fängt sie vielleicht schon an, unsere Hochzeit zu planen oder gar die Verlobungen unserer Kinder einzufädeln.«
»Nasiha ist mir manchmal wirklich unheimlich«, sagte ich mit einem schiefen Lächeln, dann lachte ich wieder laut auf – ich konnte nicht anders. Alles war gut. Ich brauchte nicht fortzugehen. Ich brauchte ihm nicht Lebewohl zu sagen.
Dllenahkh schien fast die Augen zu verdrehen; er blickte kurz zum Himmel, als wollte er um Kraft bitten, gefolgt von einem Seufzer und einem leisen Lächeln. »Sie kann
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