Die Beste Zum Schluss
irgendwen erinnert sie mich.
»Meine Frage kennst du noch nicht«, versichere ich ihr.
Sie kneift ihre Augen zusammen.
»›Wo warst du mein ganzes Leben?‹«
»Nein.«
»›Hast du dir wehgetan, als du vom Himmel gefallen bist?‹«
»Nein.«
»›Merk dir meinen Namen, du wirst ihn die ganze Nacht schreien?‹«
Ich lache.
»Auch nicht.«
Sie denkt einen Moment nach, dann zuckt sie mit den Schultern.
»Ich gebe auf.«
»Wenn du mir in die Augen schaust, macht dein Magen dann wusch?«
Sie mustert mich wieder ausdruckslos. Ihr Gesicht verrät weder, ob sie Spaß hat, noch, ob sie sich gerade für die Flucht vorbereitet. Jetzt weiß ich auch, an wen sie mich erinnert, an diese Schauspielerin in Good Will Hunting , wie hieß die denn noch mal …
Schließlich schüttelt sie den Kopf.
» Wusch ist nicht dabei.«
»Gar nichts?«, hake ich nach. »Keine komischen Gefühle, kein Magengrummeln oder Ähnliches?« Ich hebe eine Hand. »Es ist für die Wissenschaft.«
Sie mustert mich einen weiteren Augenblick.
»Trotzdem nicht«, sagt sie.
Na prima. Einseitiges Verknallen – der sicherste Weg, um sich das Leben zu versauen. Vielen herzlichen Dank, Natur.
»Danke schön«, sage ich und schaue mich nach Rene um, die anscheinend im Klo stecken geblieben ist. Die Nonne räuspert sich.
»Das war’s?«
»Jaja, die scheiß Natur mal wieder.«
Sie betrachtet mich prüfend. Vielleicht ist sie erleichtert, dass ich sie nicht weiter belästige. Vielleicht beleidigt, dass ich sie nicht weiter belästige. Ihrem Gesicht ist nicht das Geringste abzulesen. Wäre bestimmt eine gute Pokerspielerin.
»War das ein Flirtversuch?«
»Nein, ich wollte bloß wissen, ob du auch in mich verknallt bist.«
»Auch?«
Ich nicke.
»Ich bin in dich verliebt, aber keine Sorge, ich glaube nicht daran.«
Sie runzelt die Stirn und lächelt gleichzeitig ein bisschen.
»Du bist in mich verliebt und glaubst nicht daran? An Verliebtheit? Du glaubst nicht an Verliebtheit?«
Ihr Tonfall klingt, als würde sie mit einem Zurückgebliebenen sprechen.
»Rein faktisch betrachtet, ist Verliebtheit ein miserabler Berater. Ich meine, wo sind all die Menschen, in die wir verliebt waren? Jedenfalls nicht bei uns, oder?«
Ihre Augen flackern kurz, dann senkt sie den Kopf. Oh … Mist.
»Tut mir leid, falls ich was Blödes gesagt habe, ich wollte nur …«
Tja, was wollte ich eigentlich? Einer Fremden erzählen, dass ich in sie verknallt bin und es mir nichts ausmacht? Small Talk mal anders? Sie hat hundertpro gerade eine unglückliche Beziehung hinter sich. Manchmal frage ich mich, ob es überhaupt noch andere gibt.
Rene kommt aus der Toilette, winkt mir und gibt mir zu verstehen, ihr zu folgen, und steuert den Ausgang an.
»Also, nichts für ungut. Schönen Abend noch.«
Sie nickt, ohne ihren Blick von der Theke zu heben. Ich bleibe stehen.
»Alles in Ordnung?«
Sie nickt wieder. Ich kann ihren Gesichtsausdruck nicht sehen.
»Vergessen Sie es einfach, manchmal bin ich ein Trottel.«
Prima, ich beginne, sie zu siezen. Schnell weg, bevor ich mich noch lächerlicher mache. Ich gehe los. Am Eingang schaue ich noch mal zurück. Sie hat den Kopf gehoben und schaut mir nach. Ein letztes Mal treffen sich unsere Blicke, und mein Magen tut es. Salto female.
Als ich aus der Halle komme, sehe ich als Erstes, wie t r uns das letzte Taxi vor der Nase wegschnappt. Neben ihm auf der Rückbank sitzt eine Frau, aber ich kann nicht erkennen, wer sie ist. Hoffentlich ist es das Stück. t r hat bewiesen, dass er furchtbar fruchtbar ist, und wenn sie schwanger ist, fällt sie eine Zeit lang aus. Andererseits würde sie dann ihre Gene weitergeben. Gott verhüte.
Der Security ruft uns ein Taxi. Rene verwickelt ihn in ein Gespräch und verpasst ihm dabei ein paar sexdeutige Blicke. Ich lehne mich gegen das Gebäude und atme eine typisch deutsche Frühlingsnacht ein: nicht kalt, aber frisch, nicht nass, aber feucht. Früher störte mich das Wetter nie, aber mittlerweile frage ich mich manchmal, wie es wäre, öfters unter blauem Himmel aufzuwachen.
Ich beobachte Rene beim Flirten und versuche, das blöde Gefühl zu ignorieren, das sich immer einstellt, wenn ich in ein Fettnäpfchen getreten bin. Vielleicht sollte ich auf Fettnäpfchenexperte umsatteln, dann könnte ich der italienischen Regierung einen Korridor freiräumen, durch den sogar Berlusconi das politische Bankett sicher betreten könnte.
Die Nonne kommt aus der Halle. Sie trägt einen
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