Die Beste Zum Schluss
kann, kommen wir an dem Buchladen an. Obwohl wir eine halbe Stunde zu früh sind, wartet bereits eine Menschenmenge, die sofort loskreischt, als der Wagen am Haupteingang vorbeifährt.
Als wir vor dem Hintereingang parken und reinwollen, ist der verschlossen. Thatcher pflaumt die Assistentin mit leiser, aber beißender Stimme vor allen Leuten an. Die Kleine sieht kreuzunglücklich aus, entschuldigt sich mehrmals und telefoniert panisch.
»Meine Stiefmutter …«, beginnt t r . »Sie hatte dieselbe Stimme, wenn sie mit meinem Stiefvater sprach. Ich glaube, deswegen bin ich so gerne Single.«
Ich werfe ihm einen überraschten Blick zu.
»Wusste gar nicht, dass du in einer Pflegefamilie warst.«
»Hm«, sagt er, fummelt an der Kamera herum und wirkt plötzlich verlegen. Wir kennen uns seit fünf Jahren und haben fünfunddreißig bis vierzig gemeinsame Einsätze gemacht, er ist mir sympathisch, und trotzdem wird mir bewusst, dass ich nichts über ihn weiß. Früher kannte ich alle, mit denen ich arbeitete. Und ihre Freunde. Und meine Nachbarn. Und deren Freunde.
»Was machst du hiernach?«, frage ich t r und packe mir ein paar Snacks für später ein.
»Wieso?«
»Wir könnten was trinken gehen.«
Er mustert mich reserviert.
»Weil ich im Heim war?«
»Ich stehe total auf Findlinge. Und ich will wissen, wer mit dir im Taxi saß«, füge ich hinzu.
Er atmet erleichtert auf, als ich auf das Sprüchelevel zurückkehre.
»Welches Taxi?«
»Das von gestern Abend.«
»Gestern Abend war ich im Bett.«
»Ja, klar, und mit wem?«
Statt zu antworten, strahlt er an mir vorbei. Ich folge seinem Blick und sehe, dass die blonde Assistentin auf uns zukommt. Sie bleibt vor uns stehen, entschuldigt sich vielmals für die Wartezeit und die Unannehmlichkeiten und wirkt dabei sichtlich unglücklich. Muss Horror sein, mit so wenig Selbstwertgefühl neben Thatcher zu arbeiten. Sie sollte wirklich t r s Werben nachgeben, denn auch wenn er beziehungsgestört ist, so muss er im Bett ein wahrer Zen-Meister sein. Und manchmal braucht man eine durchvögelte Nacht. Oder eine durchknutschte. Oder einfach nur eine gemeinsame. Nonne! Mein Magen tut, was mein Magen tun muss. Zwanghaftes Turbulieren.
Die Assistentin bittet mich in den Backstagebereich, wo Caro vor einem Spiegel sitzt und sich von einer Mitarbeiterin die Haare machen lässt. Thatcher instruiert mich noch mal, dann lässt man uns alleine.
Kaum sind sie raus, schnappe ich mir einen Stuhl und rücke so nah an sie heran, wie mir Wolfgang Korruhn in seinem Workshop beibrachte. Die Intimsphäre knacken, damit die Leute unruhig werden und etwas tun oder sagen, was sie sonst nicht tun oder sagen würden. Nur dass sie weder was tut noch was sagt, also entscheide ich mich für die P&P-Eröffnung, zu der mir Blacky Fuchsberger mal geraten hat. Pannen und Pausen.
»So eine Promoreise ist bestimmt ganz schön anstrengend«, beginne ich und hole meinen Handyrecorder aus meiner Umhängetasche.
»Ein bisschen«, sagt sie, »aber ich mache das gerne.«
»Macht bestimmt Spaß mit den Fans …«
»Meine Fans geben mir viel. Sie sind meine größte Motivation.«
Sie lächelt mich freundlich an. Bisher ein prima Interview für sie: anwenderfreundliche Suggestivfragen.
»Sind Sie gesund?«
Sie zögert kurz.
»Ich fühle mich fit.«
»Freut mich«, sage ich und fummle mit dem Diktafon. Erst verliere ich den Popschutz, dann den Drehfuß. Als ich beides wieder aufgehoben und draufgesteckt habe, öffnet sich das Batteriefach, und die Batterien rollen auf dem Stuhl herum. Sie schaut sich alles schweigend an. Ich fummle weiter. Schließlich habe ich die Batterien wieder drin. Ich lehne mich zurück und nicke ihr zu, doch statt sie mit Fragen zu löchern, senke ich meinen Blick und fummle weiter mit dem Aufnahmegerät herum, das jetzt läuft.
Nach einer Minute holt sie Luft, doch ich bin schneller.
»Ist doch das Wichtigste im Leben.«
»Wie bitte?«
»Gesundheit. Was würden Sie tun, wenn Sie wüssten, dass Sie todkrank wären?«
Bevor sie was sagen kann, quiekt ein Meerschwein. Caro schaut sich überrascht um. Scheiße. Eines Tages erwischt es jeden, aber muss es ausgerechnet heute sein?
»’tschuldigung …« Ich fische mein Handy aus der Umhängetasche, stelle den Ton ab und spüre, wie meine Wangen brennen. Nicht mal bei Anfängern sind Anfängerfehler lustig, und nach ein paar Berufsjahren schmerzen sie doppelt. Zu meiner Überraschung lächelt Caro, und zum ersten Mal sehe
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