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Die Beste Zum Schluss

Titel: Die Beste Zum Schluss Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michel Birbæk
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stigmatisiert, kann man das auch nutzen, um ein bisschen Spaß zu haben, oder? Das Leben ist doch ernst genug, finden Sie nicht? Sie haben doch Humor?«
    »Na, total.«
    Sie lacht vergnügt. Ihr Blick ist immer noch freundlich und neugierig wie der eines Therapeuten, der die Reaktion seines Patienten studiert. Ich befeuchte meine Lippen und versuche, irgendwie in Kontakt mit meinem Gehirn zu treten.
    »Sie stellen sich also blöd, um Karriere zu machen …«
    Sie legt den Kopf wieder schief.
    »Meine Eltern waren Gründungsmitglieder der Grünen. Als Kind träumte ich davon, eine politische Talkshow zu moderieren, aber bei meinem ersten Praktikum merkte ich, dass es beim Fernsehen keine Jobs für intelligente Frauen gibt.«
    Ihre Eltern waren Gründungsmitglieder der Grünen??! Stand davon irgendwas in der Recherchemappe? Nein. Hätte ich es verdammt noch mal dennoch wissen müssen? Aber hallo! Das kommt davon, wenn man bequem wird und Recherche delegiert.
    Mein Gehirn erwacht kurz aus dem Koma und funkt eine Nachricht.
    »Anne Will.«
    »Eine Ausnahme«, sagt sie sofort.
    »Und Maischberger?«
    »Gut«, sagt sie, »und nun nennen Sie mir eine Dritte.«
    Eine Dritte. Kein Problem. Hm. Unter Druck konnte ich noch nie gut denken. Eine Dritte. Hm. Wie hieß denn die damals bei Zak noch mal … Auch schon lange her. Es muss noch andere geben.
    Ihr Lächeln wird breiter.
    »Gegenfrage: Zehn Frauen, die sich im t v benehmen, als wären sie geistig behindert.«
    Sofort rattern mir Namen durchs Bewusstsein. Herr Gott, hat sie recht? Müssen Frauen sich dumm stellen, um beim Fernsehen einen Job zu bekommen? Das würde zumindest einiges erklären.
    »Übrigens spende ich schon lange kein Geld mehr. Stattdessen habe ich mit anderen Prominenten einen Mikrofinanzfonds gegründet, der zinsfreies Startkapital für sozial schwache Existenzgründer bereitstellt. Oft reicht eine Anschubfinanzierung von ein paar Tausend Euro aus, um aus einem Menschen ohne Perspektive einen erfolgreichen Unternehmer zu machen. Es ist ein fantastisches Gefühl, so etwas zu ermöglichen.«
    Caro mustert mich genau und lässt sich nichts von meiner Verlegenheit entgehen. Gleich schabt sie ein paar Hautfetzen von mir ab und erhitzt sie in einem Reagenzglas. Wo sind Herzinfarkte, wenn man sie braucht?
    Thatcher taucht auf und fragt, ob wir fertig sind. Caro lächelt mich zuckersüß an.
    »Noch Fragen?«
    Ich kann sie bloß anstarren. Als sie aufsteht, bleibt sie neben mir stehen, legt eine Hand auf meine linke Schulter und lächelt auf mich herab.
    »Ihre Reportage über die Beziehungsunfähigkeit von Politikern hat mir gefallen, daher war meine Erwartungshaltung für heute groß, und Sie haben mich nicht enttäuscht.« Sie kniept mir zu. »Mit richtigen Journalisten zu sprechen ist eine Wohltat.«
    Sie drückt meine Schulter, und nach diesem allerletzten Ablöscher verlässt sie den Raum und geht, dicht gefolgt von Thatcher, hinaus in den Veranstaltungsraum. Die Fans empfangen sie mit einem donnernden Applaus, und ich weiß nicht, ob ich mich schämen oder umbringen soll. Seit meinem Volontariat bei der Aachener Zeitung bin ich nicht mehr so vorgeführt worden. Allerdings bin ich heute kein blutiger Anfänger mehr. Ich hole mein Ersatzdiktiergerät aus meiner Jackentasche. Eine kurze Hörprobe versichert mir, dass das Gespräch aufgezeichnet wurde. Unsere Stimmen klingen ein bisschen dumpf, aber man versteht jedes Wort. Schön. Und was nun?
    Mein Handy vibriert tonlos. Als ich es aus der Tasche hole, sehe ich Stephans Nummer auf dem Display. Er fragt mich mit rauer Stimme, ob ich eine Macke habe, ihn um diese Uhrzeit anzurufen, und er hofft, dass es verflucht noch mal wichtig sei. Ich frage ihn nach der Adresse der Nonne. Daraufhin drückt er mir hundert blöde Sprüche rein, was ich denn mit seiner Nachbarin zu klären hätte. Da ich nicht weiß, wie nahe die beiden sich stehen, gehe ich nicht darauf ein. Nach hundert weiteren Sprüchen habe ich ihre Adresse und ihren Nachnamen. Eva Wien. Passt zu ihr.
    Ich bedanke mich und bitte ihn erst gar nicht, die Sache für sich zu behalten. Wahrscheinlich hat er das Gespräch mitgeschnitten und es als Livestream auf eine Flurfunkseite hochgeladen.
    Ich drücke Renes Kurzwahlnummer. Sie geht nach dem zweiten Klingeln ran.
    »Ich habe jetzt die Adresse von der Nonne.«
    »Gut, du weißt ja, was zu tun ist.«
    Sie legt auf. Ich starre einen Moment auf das Handy, dann drücke ich wieder die Kurzwahlziffer. Diesmal

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