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Die Besteigung Des Rum Doodle

Die Besteigung Des Rum Doodle

Titel: Die Besteigung Des Rum Doodle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. E. Bowman
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Dort angekommen, stellte er fest, dass das Gerät die ganze Zeit funktionsunfähig gewesen war. Wish sagte, diese Bemerkung sei typisch für den ignoranten Laien. Wir hätten die einmalige Gelegenheit, unsere Ausrüstung unter extremen Bedingungen zu erproben, und es sei unsere Aufgabe, das zu tun. Er fragte Burley, warum er sie mitnehme, wenn er gegen deren Einsatz sei. Daraufhin fragte ihn Burley, ob Wish von ihm erwarte, den verflixten Berg nackt zu besteigen. Wish sagte, dies sei ein typisch unwissenschaftliches Argument. Ihm sei schon seit längerem klar, dass für manche Mitglieder der Expedition die Besteigung des Berges den frivolen Charakter eines Sportereignisses angenommen habe. Er selbst habe dazu eine ernsthaftere Einstellung. Für ihn werde es der Höhepunkt unserer Bemühungen sein, wenn er die selbst gestellte Aufgabe gelöst habe, die Schmelztemperatur von Eis auf dem Gipfel zu ermitteln. Er erinnerte Burley daran, dass ohne Sauerstoff die anspruchsvollen geistigen Anstrengungen gar nicht zu leisten seien, die dieses heikle Experiment erfordere. Burley sagte – recht taktlos für mein Empfinden –, bei all seiner großen Erfahrung und seinem ausgezeichneten Gedächtnis könne er sich an nichts erinnern, was dem an Sinnlosigkeit gleichkomme. Niemand außer einem verrückten Wissenschaftler wolle Eis auf einem Berggipfel schmelzen, und selbst wenn man das wolle, wen interessiere die Temperatur dabei? Er erzählte uns von seinem Freund Strokes, dem ein Wissenschaftler auf dem Gipfel des Schmutzigsteins das Eis unter den Füßen weggeschmolzen hatte. Der Freund habe dadurch drei Zehen verloren. Am Berg, so sagte er, stelle jeder Wissenschaftler eine Gefahr dar.
    Während die beiden sich mit ihrer gewohnten und löblichen Offenherzigkeit über diese Frage stritten, bemerkte Shute, ohne künstliche Hilfsmittel sei es auch unmöglich, dreidimensionale Filme aufzunehmen. Für Jungle war dies der Anlass zu der Bemerkung, das allein rechtfertige schon den Verzicht auf künstliche Hilfsmittel. Sein Antrieb beim Klettern sei es, der Zivilisation mit ihren Maschinen und all dem, wofür sie sonst stand, zu entfliehen – insbesondere Filmen. Constant meinte, er bedaure die engstirnige Einstellung der anderen. Er klettere ausschließlich, um den Triumph des Geistes über widrige Umstände zu beweisen. Er sagte, künstliche Hilfsmittel seien wider den Sportsgeist; konsequent zu Ende gedacht, werde es vielleicht eines Tages Bergsteiger geben, die den Gipfel eines Berges mit einer Langstreckenharpune mit angebundener Strickleiter beschießen würden. Wenn Gipfel nicht ohne Hilfsmittel bestiegen werden könnten, sollten sie besser unbestiegen bleiben. Prone sagte, das sei Unfug. Wer künstliche Hilfsmittel ablehne, müsse auch Zelte und Kleidung ablehnen. Er fragte Constant, ob sein triumphierender Geist bereit sei, den Rum Doodle in einem Lendenschurz oder Schlimmerem zu besteigen.
    Wenngleich ich die freimütige Rede zwischen Freunden bejahe, fand ich bei dieser Gelegenheit wirklich, dass sie es damit übertrieben. Deshalb erinnerte ich alle an Totters Worte zu diesem Thema: Kein vernünftiger Bergsteiger wird die Hilfe der Wissenschaft ablehnen, aber es gibt Grenzen. Ich hatte erwartet, dass dies die Diskussion beenden würde – was kann man sonst noch dazu sagen? –, aber niemand scherte sich darum. Für mich war unverkennbar, dass wir immer noch unter der dünnen Höhenluft litten.

6
Erster Angriff auf die Nordwand
    E ndlich wurden alle für akklimatisiert erachtet, Prone ausgenommen, der unter hohem Blutdruck litt, und so starteten wir zu unserem Angriff auf die Nordwand. Per laufendem Boten schickte ich folgende Nachricht ab: »Beginnen mit dem Angriff auf die Nordwand, den gewaltigen Steilhang, der sich 5000 Fuß hoch gen Himmel erhebt. Auf allen Lippen liegt die Frage: ›Ist er zu schaffen?‹, und jedes Herz flüstert ein zuversichtliches: ›Ja, ist er!‹ Die Moral der Mannschaft ist ausgezeichnet, und die Träger können nicht hoch genug gelobt werden. Alle bei guter Gesundheit.«
    Die Nordwand ist eine Eiswand wie aus schierem Glas, die nur durch Felsen, Schneefelder, Eisspitzen, Gletscherspalten, Bergschründe, Grate, Wasserrinnen, Geröllfelder, Kamine, Risse, Felsplatten,
Gendarmes
,
Dames Anglaises
, Nadeln, Gesteinsschichten, Gneis und Gabbro unterbrochen wird. Ein furchteinflößendes Hindernis, das fürwahr geeignet ist, die Herzen einer uneinigen Mannschaft mit mittelmäßigen Trägern

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