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Die Besteigung Des Rum Doodle

Die Besteigung Des Rum Doodle

Titel: Die Besteigung Des Rum Doodle Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: W. E. Bowman
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sinken zu lassen. Unser Plan war es, eine vorgeschobene Basis auf dem Col Süd unmittelbar oberhalb der Nordwand zu errichten, doch vermuteten wir, dass ein Zwischenlager erforderlich sein würde.
    Wir hatten die unteren Hänge der Wand bereits erkundet, und es hatten sich zwei Denkschulen gebildet, wie sie am besten anzugehen sei. Wish, unser Felsexperte, favorisierteden direkten Aufstieg über eine steile Felswand, die zu weniger beschwerlichem Gelände weiter oben zu führen schien. Shute, der Fachmann für Eis, bevorzugte eine fast lotrechte Eiswand, die in ihren höheren Regionen ebenfalls einfacher zu ersteigen schien. Da es nicht möglich war, eine endgültige Entscheidung zu treffen, wurde beschlossen, beide Routen gleichzeitig auszuprobieren. Shute und Jungle sollten das Eis angehen, Wish und Burley den Felsen angreifen. Nachdem wir das Basislager aufgeräumt hatten, wollten Constant und ich folgen, um die eine oder die andere Seilschaft zu unterstützen.
    Constant und ich machten uns kurz nach Mittag auf den Weg, und wir hatten den Gletscher noch nicht verlassen, als mein Funksprechgerät zu summen begann. Es war Jungle, der sich in höchster Erregung meldete. Shute war auf halbem Weg im Eisfeld stecken geblieben und getraute sich nicht abzusteigen, da er seinen Eispickel verloren hatte. Jungles Pickel steckte im Eis, das Seil war daran festgemacht. Er wagte nicht, ihn herauszuziehen, falls Shute stürzen sollte. Ob wir ihnen bitte zu Hilfe kommen könnten?
    Das waren alarmierende Nachrichten. Ich beruhigte Jungle, wir würden so schnell wie möglich bei ihnen sein, dann machten wir uns mit Höchstgeschwindigkeit auf den Weg. Kaum hatten wir jedoch ein paar Schritte zurückgelegt, da verschwand Constant in einer Gletscherspalte. Das Seil zwischen uns straffte sich, und ich wurde zu Boden gerissen. In der Aufregung ließ ich meinen Eispickel fallen und glitt dem Rand der Spalte zu, ohne meine Fahrt irgendwie stoppen zu können. Ich war nur noch zwei Meter vom Abgrund entfernt, als ich zum Halten kam. Das Seil hatte in das Eis eingeschnitten, und die verstärkte Reibung hatte mich gerettet.
    Dennoch war die Lage verzweifelt. Wenn ich versuchte,mich aufzurichten, zog mich das Seil nach vorn, weil Constant noch weiter fiel. Nur indem ich mit ausgestreckten Gliedern liegen blieb, vermochte ich genug Reibungswiderstand zu erzeugen, um seinen weiteren Absturz zu verhindern. Ich konnte nichts unternehmen, um Constant zu retten; wenn keine Hilfe kam, gab es für uns keine Hoffnung.
    Unsere einzige Chance war das Funkgerät. Mit einem Kloß im Hals zog ich meine rechte Hand immer näher heran, und schließlich war ich imstande, das Gerät vor mein Gesicht zu halten. Ich funkte Burley und Wish an. Burley antwortete, und ich ersuchte ihn dringend, uns schnell zu Hilfe zu kommen.
    Zu meiner Bestürzung unterrichtete er mich, dass auch sie in Schwierigkeiten seien. Wish säße auf halbem Weg in seiner Felswand fest und könne sich weder nach oben noch nach unten bewegen. Burley war völlig erschöpft; offensichtlich hatte er sich noch nicht völlig akklimatisiert. Er war selbst gerade im Begriff gewesen, Hilfe herbeizurufen.
    Es gab nur eine Lösung. Jungle musste Shute, der wenigstens an Jungles Eispickel gesichert war, an Ort und Stelle lassen, um uns zu Hilfe zu kommen. Wir drei würden dann die anderen retten. Jungle bestätigte die Anweisung und teilte mit, dass er sich auf den Weg mache.
    Ich hoffe, dass ich eine derartige Prüfung nie wieder bestehen muss. Jede Minute wurde zur Stunde, jede Stunde zu einer Ewigkeit. Eine einzige ruckartige Bewegung meinerseits konnte Constant und mich in den Abgrund stürzen. Meine Nase juckte, aber ich wagte nicht, sie zu kratzen; sie wurde kalt, aber ich wagte nicht, sie zu reiben. Ich fror mehr und mehr. Constant, mit dem ich mich durch Rufe verständigen konnte, war in der gleichen misslichen Lage. Er war unverletzt, fühlte sich aber mindestens so durchgefroren und elend wie ich.
    Nach einer ganzen Weile summte das Funksprechgerät erneut. Es war Jungle. Er hatte sich verirrt.
    Mir sank das Herz, und von Burley, der sich eingeschaltet hatte, hörte ich ein Stöhnen. Ganz sicher war es aus und vorbei mit uns. Die Trostlosigkeit unserer Lage überkam mich mit jäher Macht. Wir, die wir so hoffnungsfroh aufgebrochen waren, so hart gearbeitet hatten und so weit gekommen waren, wir, die Hoffnung unseres Vaterlandes und die Helden der ganzen Welt – wir sollten nun in diesem

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