Die Besteigung Des Rum Doodle
Schloss fand. Aber das Original war verschwunden. Den zweiten Stein nahm Meyer, ein Sprössling der Verlegerfamilie Meyer (Meyers Lexikon), mit in seine Leipziger Heimat. Dort ist er bis heute im Familienbesitz und war vor einigen Jahren in einer Ausstellung im Naturkundemuseum zu sehen. Danach ist auch dieser höchste Punkt des deutschen Kaiserreichs wieder verschwunden.
Der Rest der Geschichte des höchsten deutschen Berges ist schnell erzählt: Nach 1918 sank der höchste Punkt Deutschlands von 5895 auf mickrige 2963 Meter: der Gipfel der Zugspitze. Minus 2932. Dann, 1938, stieg er unter dem Expansionswahn der Nazis wieder auf 3798 Meter: der Gipfel des Großglockner. Plus 835. Ein Jahr später, 1939, stieg er sogar auf 3905 Meter: der Gipfel des Ortler. Plus 107. Nur um dann, 1945, wieder auf 2963 Meter zu sinken. Minus 942.
Die Besteigung des Rum Doodle
Aber nun zurück zum höchsten Berg der Welt, der noch ein letztes amüsantes Kapitel zu bieten hat. Die Besteigung des »Rum Doodle«, einem 12 192 Meter hohen Berg im Himalaja, der sich erhaben neben dem »Rankling La« über den Wolken erhebt. Man sollte seine exakte Höhe allerdings inFuß angeben: 40 000 ½. Denn dies ist eine durch und durch britische Heldengeschichte.
Der Roman
Die Besteigung des Rum Doodle
des britischen Autors William Ernest Bowman ist eines der schönsten und lustigsten Bergsteigerbücher, die es gibt. Es ist 1956 erschienen, sozusagen als ironische Antwort auf die Everest-Besteigung drei Jahre zuvor. Überhaupt:
Rum Doodle
ist eine wunderbare Parodie auf all die nationalistischen Bergsteiger-Heldengeschichten, die seit den 1930er Jahren in England, aber ebenso in Deutschland, Frankreich und Italien den Alpinismus und die Literatur darüber prägten. Aber speziell in den 1950er Jahren hatte die »Eroberung« der höchsten Berge der Welt Hochkonjunktur. Zwischen Juni 1950 und Juli 1956 wurden neun Achttausender bestiegen. Und ein Zwölftausender. »›Glückwunsch, alter Junge‹, sagte Shute. ›Sie werden der Erste sein, der höher als der Everest steigt.‹«
Der Humor von
Rum Doodle
schwankt irgendwo zwischen Monty Python und
Nackte Kanone
, setzt sich aus Slapstick und Running Gags zusammen.
Und doch muss man sagen: Dieser William Ernest Bowman wusste genau, wovon er schreibt. Und das, obwohl er nie ernsthaft in den Bergen unterwegs war. Er muss die Expeditionsberichte sehr genau gelesen haben. Denn Bowman thematisiert alles, was zu jener Zeit diskutiert wurde: die Akklimatisierung, die Höhenkrankheit und den Yeti, der 1928 »auf dem Gipfel des Raw Deedle« gesichtet wurde, und dann, 1931, während der »bayerischen Erkundungsexpedition« noch einmal am Hi Hurdle. Und auch der Frage, ob diese hohen Berge auch ohne Sauerstoffgeräte zu besteigen sind, widmet sich Bowman: »Einmal besprachen wir die alte Frage: Sollen Sauerstoff und andere künstliche Hilfsmittel am Berg eingesetzt werden?« Am Mi Wurdle seien damalsdie Geräte ausgefallen. Constant sagt: »Wenn Gipfel nicht ohne Hilfsmittel bestiegen werden könnten, sollten sie besser unbestiegen bleiben.« Woraufhin Prone klug einwendet: »Wer künstliche Hilfsmittel ablehne, müsse auch Zelte und Kleidung ablehnen.« Es ist eine Diskussion, die in der Realität erst 20 Jahre später aufkommen sollte.
Und dann gibt es noch viele kleine alpinistische Referenzen: Binder steht allein mit den Sherpas auf dem Gipfel – wie Edmund Hillary mit Tenzing Norgay. Constant freundet sich mit den Yogistani an und will im Himalaja bleiben – wie Peter Aufschneiter, als er mit Heinrich Harrer in Tibet war. Als Prone nach Tagen vom Gipfel zurückkommt, sieht er völlig verändert aus – wie Hermann Buhl nach seinem Nanga-Parbat-Alleingang.
Aber es ist vor allem die übertriebene Logistik des Höhenbergsteigens dieser Zeit, die
Rum Doodle
auf fantastische Weise parodiert. Das beginnt schon, als sie mit dem Schiff in Chai khosi ankommen, einer fiktiven Stadt im fiktiven Yogistan. Nachdem sie dort fälschlicherweise 30 000 Träger anheuern, müssen sie 3000 auswählen und starten dann den 500 Meilen langen Anmarsch zum Berg. Schließlich erreichen sie den Rankling La, einen Pass, von dem aus sie zum ersten Mal den majestätischen Rum Doodle sehen – und auch den North Doodle. Wenig später erreichen sie das Basislager auf dem Rankling-Gletscher. Dann beginnt die Besteigung des Berges nach allen Regeln der Expeditionsbergsteigerkunst: Sie errichteten ein Advanced Basecamp, ein Camp 1
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