Die bestellte Braut
war es Luke ein Leichtes sie einzuholen. Doch auch er verschwendete keine weiteren Worte, als sie Seite an Seite zu einer der Scheunen gingen. Er öffnete das Holztor etwas weiter für sie und ließ sie dann eintreten, bevor er ihr folgte.
Im Inneren herrschte ein angenehmes Zwielicht, in dem Charlie gerade damit beschäftigt war ein Pferd auszuspannen und ihre Reisetruhe von einem kleinen Vehikel zu bugsieren. An eine der Pferdeboxen gelehnt stand Mr. Sullivan, der seinem jüngsten Sohn bis eben aufmerksam gelauscht hatte und einige Papiere in seiner Hand betrachtete.
Als Luke und Steffiney die Scheune betraten, schaute er lächelnd auf. Doch die Sorgenfalten auf seiner Stirn waren trotz des Dämmerlichts deutlich zu sehen. „Miss O'Brian, ich hoffe, Sie haben eine angenehme Nacht gehabt und fühlen sich wohl bei uns.“
Sie bedankte sich, doch fragte ohne Umschweife nach den Nachrichten aus Boston. Steffiney wollte nicht unhöflich sein, doch das war es doch, was sie alle interessierte. Aus keinem anderen Grund würde Luke Sullivan sie hierher begleitet haben.
„Nun, Miss O'Brian, Charlie hat in der Tat nach Boston telegrafiert. Allerdings muss ich Ihnen sagen, dass er Smiths Eheanbahnungsinstitut für Heiraten in den Westlichen Territorien nicht... erreichen konnte.“
Sofort kam aus Luke Sullivans Richtung ein Schnauben. Für ihn schien diese Eröffnung keine Überraschung zu sein. Umso mehr aber für Miss O'Brian.
„Was meinen Sie bitte damit, dass er das Institut nicht erreichen konnte? Ich habe Ihnen doch die Unterlagen mit der Adresse gegeben!“, fuhr sie verwirrt auf.
Mr. Sullivan nickte bedächtig mit dem Kopf. „Ja Miss O'Brian, das haben Sie. Nur leider konnte man das Büro dieser Heiratsagentur nicht ausfindig machen. Genauso wenig wie einen Mr. Smith. Es waren unter der Adresse nur ein paar leere Lagerräume zu finden.“
Steffiney traute ihren Ohren nicht. Sie war doch selbst dort gewesen! Wie konnte nur... Im nächsten Augenblick wurde ihr klar, was Mr. Sullivan jetzt von ihr denken musste. Genau das Gleiche wie sein ältester Sohn. Er würde sie postwendend auf die Straße setzen!
Plötzlich begann sich alles um sie herum zu drehen und noch bevor sie etwas dagegen tun konnte, knickten ihre Knie ein. Von irgendwoher hörte sie Mr. Sullivans Stimme, die etwas rief, doch der schwache Moment dauerte nicht lange. Wenige Augenblicke später war Miss O'Brian wieder Herrin ihrer Sinne. Und musste zu ihrer Überraschung feststellen, dass sie nicht wie erwartet auf dem Boden lag. Sie saß auf ihrer Reisetruhe und vor ihr knieten Mr. Sullivan und Charlie.
Allerdings waren beide, in dem Augenblick als ihr schwindlig wurde, zu weit entfernt gewesen, um sie auffangen zu können. Sie warf einen misstrauischen Blick zu Luke, der in einiger Entfernung an einem Holzpfosten lehnte und sie eingehend betrachtete.
„Geht es wieder, Miss O'Brian?“, fragte der alte Herr besorgt und rieb ihre Hände zwischen den seinen.
„Ja, danke. Ich... Es tut mir leid, es ist nur... Ich war selbst dort gewesen. Sie müssen mir glauben.“ Ihre Stimmung klang jetzt eindeutig verzweifelt, doch Charles Sullivan lächelte sie immer noch freundlich, wenn auch besorgt an.
„Machen Sie sich keine Sorgen um Ihre Glaubwürdigkeit. Charlie hat sich an das Magistrat der Stadt Boston gewandt. Ich fürchte, Miss O'Brian, Sie sind auf einen Betrüger hereingefallen.“
Mr. Sullivan machte eine kurze Pause um zu sehen, wie sein ungewöhnlicher Gast die Nachricht aufnahm. Doch es schien kein zweiter Schwächeanfall in Sicht und so fuhr er fort.
„Eine derartige Agentur wurde in Boston nie offiziell verzeichnet. Das Magistrat teilte Charlie mit, dass sie in den letzten Tagen mehrere solcher und ähnlicher Anfragen erhalten hätten. Miss O'Brian, es sieht ganz so aus, als hätte dieser Mr. Smith sich als Heiratsvermittler ausgegeben, junge Damen mit Adressen im Westen versorgt und die Gebühr kassiert. Sobald er alle seine Kundinnen auf diese Weise aus der Stadt gebracht hatte, hat er ganz offensichtlich mit ihrem Geld das Weite gesucht. Wenn Sie es sehen wollen, ich habe das Telegramm des Magistrats hier.“ Mit einem bedauernden Blick erhob sich Charles Sullivan wieder aus seiner knienden Position.
Sehr langsam streckte Miss O'Brian ihre Hand nach dem Blatt Papier aus und las still Wort für Wort. Sie konnte einfach nicht glauben, was sie da hörte. Keine Eheanbahnungsinstitut, keine Hochzeit, kein Geld, keine Möglichkeit
Weitere Kostenlose Bücher