Die besten Crime-Stories.: Meistererzählungen der Queen of Crime
George, es ist höchst gefährlich.»
Merrowdene schien etwas ärgerlich.
«Mary hat überhaupt nichts aus meinem Labor wegzunehmen. Sie darf dort nichts anfassen.»
«Aber wir lassen oft unsere Tassen nach dem Tee dort stehen. Woher soll sie das wissen? Sei doch vernünftig, Lieber.»
Der Professor ging in sein Laboratorium und murmelte vor sich hin. Lächelnd goß Mrs.
Merrowdene kochendes Wasser über den Tee und blies die Flamme auf dem silbernen Kocher aus.
Evans war überrascht. Aus irgendeinem Grunde ließ sich Mrs. Merrowdene in die Karten blicken. Sollte das der «Unfall» werden?. Sprach sie bewußt von all dem, um sich von vornherein ein Alibi zu verschaffen?. Er wäre gezwungen, zu ihren Gunsten auszusagen, wenn der «Unfall» eines Tages passierte. Wie dumm von ihr, denn bevor...
Plötzlich hielt er den Atem an. Sie hatte den Tee in drei Schalen gegossen. Eine setzte sie vor sich hin, eine vor ihn und die dritte auf einen kleinen Tisch beim Feuer, in der Nähe des Sessels, in dem gewöhnlich ihr Mann saß. Als sie diese letzte Schale auf den Tisch stellte, verzog ein eigenartiges Lächeln ihren Mund.
Dieses Lächeln gab den Ausschlag.
Eine bemerkenswerte Frau eine geährliche Frau. Kein Warten, keine Vorbereitungen. Heute nachmittag, genau heute nachmittag mit ihm hier als Zeugen. Diese Küheit verschlug ihm den Atem. Es war raffiniert, verdammt raffiniert. Er würde ihr nichts beweisen können. Sie baute darauf, daß er nichts ahnte – einfach weil es noch so früh war. Eine Frau, die blitzschnell dachte und handelte.
Er holte tief Luft und beugte sich vor.
«Mrs. Merrowdene, ich bin ein Mann mit sonderbaren Einfällen. Würden Sie so liebenswürdig sein und bei einem davon mitmachen?»
Sie blickte ihn fragend an.
Er stand auf, nahm die Schale, die vor ihr stand, und ging hinüber zu dem kleinen ,Tisch, wo er sie gegen die andere vertauschte. Diese brachte er zurück und stellte sie vor sie hin.
«Ich möchte sehen, wie Sie das trinken!»
Ihre Blicke trafen sich. Sie sah ihn fest und unergründlich an. Langsam wich die Farbe aus ihrem Gesicht.
Sie streckte die Hand aus und hob die Schale hoch. Er hielt den Atem an. Angenommen, er hatte sich von Anfang an geirrt?
Sie führte die Schale an die Lippen. Im letzten Moment lehnte sie sich vor und goß den Inhalt in einen Blumentopf. Dann richtete sie sich auf und sah ihn herausfordernd an.
Er stieß einen langen Seufzer der Erleichterung aus und setzte sich wieder hin.
«Nun?» fragte sie. Ihre Stimme klang verändert. Sie war leicht spöttisch und herausfordernd.
Er antwortete bedächtig. «Sie sind eine sehr kluge Frau, Mrs. Merrowdene. Ich glaube, Sie verstehen mich. Es darf kein zweites Mal geben. Wissen Sie, was ich meine?»
«Ja, ich weiß», sagte sie.
Er nickte zufrieden mit dem Kopf. Sie war sehr vorsichtig. Sie wollte nicht gehängt werden.
«Auf Ihr langes Leben und das Ihres Gatten», sagte er bedeutungsvoll und hob die Schale mit dem Tee an die Lippen.
Dann veränderte sich sein Gesicht. Es verzog sich grauenvoll... er mußte aufstehen ... hinausschreien. Sein Körper wurde steif, sein Gesicht lief rot an. Er fiel hin, stürzte über den Stuhl. Seine Glieder verkrampften sich.
Mrs. Merrowdene lehnte sich vor und beobachtete ihn. Ein leichtes Lächeln umspielte ihre Lippen. Sie sprach zu ihm, ganz sanft und liebenswürdig.
«Sie haben einen Fehler gemacht, Mr. Evans. Sie glaubten, ich wollte George töten ... Wie dumm von Ihnen, wie furchtbar dumm.»
Sie saß noch eine Minute lang da und blickte auf den toten Mann – den dritten, der gedroht hatte, ihren Weg zu kreuzen und sie von dem Mann zu trennen, den sie liebte.
Ihr Lächeln vertiefte sich. Mehr denn je glich sie einer Madonna. Dann hob sie ihre Stimme und rief: «George! George!... Oh, bitte, komm her. Ich fürchte, ein schrecklicher Unfall ist passiert! Armer Mr. Evans!»
Ein guter Freund
Sir Edward Palliser, Kronanwalt,wohnte am Queen Anne's Close, Nr. 9. Queen Anne's Close war eine Sackgasse im Zentrum von Westminster, die ihre friedliche Alt-Londoner Atmosphäre, weitab von der Hektik des zwanzigsten Jahrhunderts, bewahrt hatte. Diese Atmosphäre gefiel Sir Edward ausgezeichnet.
Sir Edward war zu seiner Zeit einer der bedeutendsten Strafverteidiger gewesen. Nun, da er nicht länger vor Gericht plädierte, beschäftigte er sich damit, eine wohlsortierte Bibliothek kriminalistischer Literatur zusammenzutragen. Darüber hinaus war er der Verfasser eines
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