Die besten Freunde meines Lebens - Roman
Jo. »Glaub mir, das habe ich.«
»Lasst mich den Brief fertig lesen«, unterbrach Lizzie. »Ja, es stimmt. Unglaublich! Sie schreibt tatsächlich: ›Deshalb bitte ich Dich, dass Du Dich um David kümmerst. Die Liebe meines Lebens. Der Mann, mit dem ich mein Leben ver bringen wollte – bis dass der Tod uns scheidet.‹« Lizzie blickte auf, ihre Augen waren groß und glänzend.
»Lizzie«, sagte Mona, »hast du etwa geglaubt, ich hätte das erfunden?«
»Nein, nein. Es ist nur …« Lizzie las weiter vor: »›Es ist für mich unfassbar, dies zu schreiben, doch ich muss es tun – der Tod wird uns scheiden. Er wird uns geschieden haben, wenn Du das liest, und so vermache ich Dir hiermit meinen geliebten David.‹«
»Gib her.« Jo riss ihr den Brief aus der Hand und überflog die Zeilen.
»Was für ein Scheiß!«, murmelte sie dann. »Was für ein gottverdammter Scheiß! Nicci, Nicci, du kannst doch nicht einfach Menschen vererben. Was hast du dir dabei ge dacht?«
»Vielleicht«, warf Lizzie zaghaft ein, »konnte sie nicht mehr klar denken. Ihr wisst schon … die Medikamente und so«, fügte sie matt hinzu.
»Nein!«, entgegnete Jo heftig. »Das ist Quatsch! Auch wenn uns das alles nicht passt, Nicci wollte es so. Wir müssen irgendeinen Weg finden, um damit umzugehen.«
»Ach ja?« Mona unterdrückte ein Frösteln. Der Schuppen war in der halben Stunde, die sie nun hier saßen, nicht wär mer geworden. Wenn überhaupt, so war die Temperatur eher gefallen. »Wie willst du denn mit deinem Erbe umgehen?«
»Keine Ahnung.« Jo glitt von der Anrichte und setzte sich auf die Armlehne von Monas Sessel, damit sie ihren eigenen Brief über Monas Schulter mitlesen konnte. Obwohl das eigentlich nicht nötig war. Sie kannte den Inhalt in- und aus wendig. So oft, wie sie ihn studiert hatte, war es ein Wunder, dass die Worte nicht zur Unkenntlichkeit zerlesen waren.
»›Du bist eine so gute Patentante, Jo, die allerbeste. Deshalb möchte ich, dass du mehr für sie bist‹«, las Mona laut vor.
»Mehr? Was soll das heißen?«, fragte Lizzie.
»Lies weiter«, drängte Jo.
Mona folgte der Aufforderung; ihr leichter australischer Akzent verlieh den Worten eine seltsame Irrealität.
»›Im Lauf der Jahre habe ich beobachtet, wie sehr Du Dich bemüht hast, eine gute Stiefmutter für Sis Jungen zu sein, während Du vergebens versuchtest, eigene Kinder zu bekommen. Harrie und Charlie werden eine Mummy brauchen. Und ich hätte gern, dass Du diese Rolle übernimmst. Nicht im wörtlichen Sinn natürlich. Doch ich übertrage Dir die emotionale Fürsorge. Unter Deinem aufmerksamen Blick werden meine beiden Mädchen das Selbstvertrauen erlangen, um zu furchtlosen, talentierten, wunderbaren jungen Frauen heranzureifen. Zu Frauen, die ihr inneres Potenzial ausschöpfen können. Zu starken Frauen, wie Du eine bist. Und die auch ich immer bestrebt war zu sein.‹«
»Aber worum genau bittet sie dich?«, fragte Mona. »Sie überträgt dir ja sicher nicht das gemeinsame Sorgerecht mit David, oder?«
»Nein«, erwiderte Jo lachend. »Nein«, wiederholte sie etwas weniger überzeugt. »Zumindest glaube ich das nicht. Ich glaube vielmehr, Nicci will mir auf ihre ungeschickte, herrische Art sagen, dass ich, da ich bisher keine eigenen Kinder bekommen konnte«, Jo hielt inne und schluckte, »einen Anteil an ihren Kindern haben kann. Ihr wisst schon, Weihnachten, Ostern … Als hätte ich mit Sam und Tom nicht genügend Kinder von anderen Leuten, die mich an Feiertagen beschäftigt halten.« Ihr Lächeln erlosch. »Es ist nicht so, dass ich Sis Jungen nicht lieben würde, denn das tue ich wirklich.«
»Das wissen wir, Jo«, sagte Lizzie weich. »Nicht wahr, Mo?«
Mona nickte.
»Sie hat es gut gemeint«, stieß Jo schließlich hervor. »Dessen bin ich mir sicher. Nicci war ein Kontrollfreak, aber ein guter Mensch. Ja, sie hat es gut gemeint.«
Mona blickte auf. »Ist das so, Jo? Glaubst du das wirklich?«
Stille breitete sich im Schuppen aus, und feuchte Kälte kroch durch den Spalt unter der Tür und durch die winzigen Risse im Fensterrahmen herein. Jetzt war es hier drinnen genauso kalt wie draußen.
»Ich habe das Gefühl«, sagte Lizzie, während sie ihre nebeneinandersitzenden Freundinnen ansah und sich seltsam ausgeschlossen vorkam, »als hätte ich sie kaum gekannt. In der Kirche waren über hundert Leute, die ich noch nie gesehen hatte. Freunde, vielleicht sogar Familie, von deren Existenz ich nichts wusste. Und
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