Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Bestie im Menschen

Die Bestie im Menschen

Titel: Die Bestie im Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
Vom Netzwerk:
mehr ein Verdruß, über den er früher außer sich vor Wuth hätte sein können. Mit seiner Gesundheit ging es, abgesehen von der Müdigkeit der durchlebten Nächte, nicht schlecht; er wurde sogar stärker, das heißt schwammiger, und seine Lider drückten schwer auf die wirr blickenden Augen. Wenn er halb verschlafen mit trägen Bewegungen heimkehrte, brachte er nur eine souveräne Verachtung aller Dinge um sich her mit. In der Nacht, in der Roubaud die dreihundert Franken in Gold dem Fußboden entnahm, hatte er bei Herrn Cauche, dem Polizeikommissär, eine durch mehrfache Verluste angehäufte Spielschuld abtragen wollen. Dieser war ein alter, kaltblütiger Spieler; das eben machte ihn gefährlich. Er sagte zwar, er spiele nur zu seinem Vergnügen, denn er war durch seine amtliche Eigenschaft genöthigt, die Allüren des einstigen Militärs zu wahren und es war nicht weiter auffällig, daß er Vollständig in dem Café zu Hause war, weil er Junggeselle; das hinderte ihn aber garnicht, den ganzen Abend Bank zu halten und den Anderen das Geld abzunehmen. Man erzählte sich sogar, er hätte sich einige Nachlässigkeiten als Polizeikommissär zu Schulden kommen lassen und es sei ihm bereits nahe gelegt morden, zu demissioniren. Doch alles das hatte noch gute Weile; er hatte so wenig zu thun, warum größeren Eifer zeigen? Er begnügte sich damit, auf einen Augenblick auf den Perrons zu erscheinen, wo ihn Jeder respektvoll grüßte.Drei Wochen später schuldete Roubaud fast vierhundert Franken an Herrn Cauche. Er hatte ihm erzählt, daß die von seiner Frau gemachte Erbschaft ihnen jede Annehmlichkeit gestatte, aber auch lachend hinzugefügt, daß seine Frau die Schlüssel zur Kasse habe und daß er aus diesem Grunde nur langsam seine Spielschulden abzahlen könne. Als er sich eines Vormittags allein in der Wohnung befand, hob er abermals die Scheuerleiste auf und holte einen Tausendfrankschein aus dem Versteck. Er zitterte an allen Gliedern, eine solche Furcht hatte er in jener Nacht, als er die dreihundert Franken in Gold nahm, nicht empfunden. Die erste Anleihe galt ihm nur als ein zufälliges Ereigniß, während mit diesem Schein der Diebstahl begann. Eine fürchterliche Uebelkeit durchschlich immer seinen ganzen Körper, sobald er an dieses verfluchte Geld dachte, das nie zu berühren er sich geschworen hatte. Einstmals hatte er eher Hungers sterben wollen und jetzt rührte er es doch an. Wie es kam, daß seine Gewissensbisse verflogen waren, konnte er nicht sagen, wahrscheinlich Tag für Tag ein wenig, seit der Mord nach und nach eingekapselt wurde. Unten am Boden des Loches hatte er etwas Feuchtes, Widriges zu fühlen gemeint, das ihm die Angst aus allen Poren trieb. Schnell brachte er die Leiste wieder an Ort und Stelle. Er schwor, sich eher die Faust abhauen zu wollen, als sie nochmals aufzuheben. Seine Frau hatte ihn nicht gesehen, er athmete erleichtert auf und trank zu seiner Erfrischung ein großes Glas Wasser aus. Sein Herz schlug freudig erregt, denn jetzt konnte er mit diesem Gelde seine Schulden bezahlen und behielt noch etwas Kapital zum Spielen übrig.
    Der Gedanke indessen, dieses Geld wechseln lassen zu müssen, steigerte wieder seine Angst. Einst war er ein braver Mann, er hätte sich freiwillig den Gerichten gestellt, wenn er nicht die Dummheit begangen, seine Frau in die Sache zu verflechten; jetzt versetzte ihn der bloße Gedanke an die Gensdarmen schon in Schweiß. Er wußte recht gut, daß das Gericht nicht die Nummern der verschwundenen Banknoten besaß und daß der Prozeß für immer registrirt und
ad acta
gelegt worden war, trotzdem fürchtete er sich, irgendwo das Geld wechseln zu lassen. Fünf Tage trug er den Schein mit sich herum. Gewohnheitsmäßig befühlte er ihn und gab ihmimmer wieder einen neuen Platz, selbst Nachts trennte er sich nicht von ihm. Er schmiedete die verwegensten Pläne und quälte sich mit der Befürchtung von plötzlichen Zwischenfällen ab. Zuerst hatte er im Bahnhof Umschau gehalten: war es nicht das Beste, den Schein einem Kollegen zum Wechseln zu geben, der eine Kasse unter sich hatte? Nein, es schien ihm zu gefährlich. Dann wollte er an das andere Ende von Havre, und zwar ohne Dienstmütze, gehen und dort irgend etwas Gleichgültiges kaufen. Aber würde man sich nicht wundern, daß er wegen eines so geringfügigen Gegenstandes eine so große Summe wechseln ließ? Endlich entschloß er sich, die Note in dem von ihm täglich aufgesuchten Tabakgeschäft am

Weitere Kostenlose Bücher