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Die Bestie im Menschen

Die Bestie im Menschen

Titel: Die Bestie im Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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Todten entwendete, dieses verfluchte Mordgeld wagte sie nicht zu berühren, aus Furcht, sich daran die Finger zu verbrennen. Von neuem beruhigte sie sich. Sie überlegte, daß sie es nicht nehmen wollte, um es zu vergeuden, sondern um es anderswo an einer nur ihr bekannten Stelle zu verstecken, wo es in alle Ewigkeit schlafen konnte. Dann wäre wenigstens die Hälfte der Summe aus den Händen ihres Mannes gerettet gewesen. Er hätte dann nicht mehr triumphiren und nicht auch den ihr gehörenden Theil verspielen können. Als der Kuckuk drei Uhr rief, bedauerte sie schon aufrichtig, nicht getheilt zu haben. Es kam ihr, wie aus weiter Ferne der Gedanke, aufzustehen, die Diele zu leeren, so daß ihm nichts mehr übrig blieb. Aber sie fühlte es sie so eisig überlaufen, daß sie nicht mehr daran denken wollte. Und doch schien es besser, alles zu nehmen und aufzubewahren, ohne daß er ein Recht hätte, sich zu beklagen! Dieser Gedanke trat ihr näher und näher, während gleichzeitig ein Wille, stärker als ihre Abwehr, die unbewußten Tiefen ihres Wesens aufwühlte. Ja, sie wollte es thun, mit einem Satz war sie aus dem Bett, sie konnte nicht anders, sie schraubte den Docht der Lampe höher und ging in das Speisezimmer.
    Jetzt zitterte Séverine auch nicht mehr. Ihr Schrecken war verflogen. Sie ging kaltblütig mit den abgemessenen Bewegungen einer Somnambule zu Werke. Sie mußte erstden Schürhaken suchen, der zum Heben der Leiste taugte. Als das Versteck geöffnet war, rückte sie die Lampe bis an den Rand des Tisches, denn sie glaubte schlecht gesehen zu haben. Aber nein, vornübergebeugt starrte sie wie entseelt hinein; das Loch war in der That leer. Jedenfalls war Roubaud zurückgekehrt, während sie zum Stelldichein gegangen war und hatte vor ihr, von denselben Gedanken geleitet, hier gearbeitet: alle Kassenscheine hatte er an sich genommen, nicht ein einziger war zurückgeblieben. Nur Uhr und Kette ruhten noch in dem Versteck, deren Gold aus dem Schutt zwischen den Stützbalken heraufleuchtete. Ein Schüttelfrost befiel sie, nährend sie halb nackt auf dem Boden lag und wohl an zwanzig Male: »Dieb! Dieb!« kreischte.
    Dann mit der Geberde einer Wahnsinnigen riß sie die Uhr und Kette an sich, während eine aufgescheuchte, dicke, schwarze Spinne eilig davonkroch. Durch Klopfen mit dem Absatz des Pantoffels brachte sie die Leiste wieder an ihre Stelle, sie stellte die Lampe auf den Nachttisch und legte sich wieder zu Bett. Als sie sich erwärmt hatte, betrachtete sie aufmerksam die Uhr, welche sie nicht aus der Hand gelegt hatte und jetzt hin und her wendete. Auf dem Deckel interessirten sie die eingravirten Initialen des Namens des Präsidenten. Auf der Innenseite las sie die Nummer 2516, eine Fabrikationschiffre … Diese Uhr war ein ganz gefährliches Spielzeug, denn das Gericht kannte diese Zahl. Doch in ihrem Zorn, nur das gerettet zu haben, kümmerte sie sich darum nicht. Es freute sie, daß nun wenigstens das Alpdrücken aufhören mußte, seit kein Leichnam mehr unter ihren Füßen zu fürchten war. Sie würde jetzt endlich in ihrer Wohnung gelassen den Fuß überall hinsetzen können. Sie ließ die Uhr unter ihr Kopfkissen gleiten, löschte die Lampe aus und schlief ein.
    Am folgenden Tage hatte Jacques keinen Dienst. Er wartete, bis Roubaud in das Café du Commerce gegangen war und kam dann hinauf, um bei Séverine zu frühstücken. So oft sie es ohne Gefahr konnten, waren sie von der Partie. Während der Mahlzeit erzählte sie ihm, noch zitternd vor Entrüstung, von dem Gelde und daß sie den Versteck leer gefunden habe. Ihre Wuth gegen ihren Mann war noch nicht erschöpft, auch jetzt kam ihr derselbe Schrei wieder über die Lippen:
    »Dieb! Dieb! Dieb!«Dann brachte sie die Uhr herbei, sie wollte durchaus, daß Jacques sie nähme. Sie drängte sie ihm trotz seiner Abneigung förmlich auf.
    »Begreife doch, Schatz, bei Dir vermuthet sie kein Mensch. Wenn ich sie behalte, nimmt er sie mir auch noch. Lieber ließe ich ihm ein Stück von meinem eigenen Fleische … Nein, er hat schon mehr denn zu viel. Ich hatte kein Verlangen nach diesem Gelde. Es ängstigte mich, ich hätte keinen Sou davon für mich verwandt. Aber hat er das Recht, Nutzen aus ihm zu ziehen? O, ich hasse diesen Menschen!«
    Sie weinte und bestand darauf, sie bettelte so lange, bis der junge Mann die Uhr endlich nahm und sie nebst Kette in die Tasche seiner Weste gleiten ließ.
    Ein Stunde verrann, Séverine saß noch immer, nur halb

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