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Die Bestie im Menschen

Die Bestie im Menschen

Titel: Die Bestie im Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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dieser wilden Gegend. Es war ihnen sehr heiß, ihre feuchten Glieder ruhten wie ineinandergeflochten.
    Er küßte sie wie suchend auf die Brust, unter das Kinn und sie begann von Neuem zu flüstern:
    »Er muß hierher kommen … Ich könnte ihn unter irgend einem Vorwande hierher rufen. Ich weiß noch keinen. Doch er wird sich später finden. Du würdest ihn dann erwarten und Dich verstecken. Alles Andere würde sich von selbst machen, denn hier würden wir gewiß nicht gestört werden … So müssen wir es machen.«
    Während seine Lippen vom Kinn auf die Kehle herunterwanderten, begnügte er sich, gelehrig mit »Ja« zu antworten.Sie dagegen erwog nachdenklich jede Kleinigkeit. Je mehr sich der Plan in ihrem Kopf entwickelte, desto mehr besprach und verbesserte sie ihn.
    »Es wäre zu dumm, Schatz, wenn wir nicht jedenfalls unsere Vorsichtsmaßregeln treffen sollten. Wenn ich wüßte, daß wir einen Tag darauf doch verhaftet würden, dann könnte es besser so bleiben, wie es ist … Ich habe es irgendwo gelesen, wahrscheinlich in einem Roman: es wäre das Beste, an einen Selbstmord glauben zu machen … Er ist seit einiger Zeit so merkwürdig, so nachdenklich und verdüstert, daß es Niemand überraschen würde, zu hören, er sei hierhergekommen, um einen Selbstmord zu begehen … Es handelt sich also lediglich darum, die Sache so zu drehen, daß der Gedanke eines Selbstmordes von selbst einleuchtet … Nicht wahr?«
    »Ja, zweifellos.«
    Sie suchte, etwas außer Athem, weil er ihre ganze Kehle zwischen die Lippen genommen hatte, um sie zu küssen.
    »Etwas, um jede Spur zu verwischen … Halt, das ist ein Gedanke! Wenn er zum Beispiel das Messer in der Gurgel hat, brauchten wir Beide nur ihn herunterzutragen und so mit dem Kopf auf die Schienen zu legen, daß der nächste Zug ihn enthaupten müßte. Dann könnte man schön suchen, denn es würde alles zerfetzt und kein Loch mehr zu sehen sein … Geht das, was meinst Du?«
    »O ja, das ginge sehr gut.«
    Beide belebten sich, sie freute sich fast, nicht wenig stolz, dieser Entdeckung. Als er ihr lebhafter schmeichelte, überlief sie wieder ein leiser Schänder.
    »Nein, lasse mich, warte noch ein wenig … Ich denke eben daran, daß das noch nicht so geht. Wenn Du hier bleibst, wird der Selbstmord immer noch verdächtig erscheinen. Du mußt also erst fort. Morgen reisest Du also ab, ganz offen vor aller Welt, so daß Cabuche und Misard Dich sehen. Du besteigst den Zug nach Barentin und steigst in Rouen unter irgend einem Vorwande aus. Wenn die Nacht angebrochen ist, kommst Du zurück und ich lasse Dich durch die Hinterthür ein. Es sind nur vier Meilen, in drei Stunden kannst Du also bequem zurück sein … So ist Alles in bester Ordnung, wenn Du also willst, kann es geschehen.«
    »Ja, ich will es, es ist abgemacht.«
    Er überlegte jetzt ebenfalls und war des Küssens überdrüssig geworden. Abermals trat Stille ein, während sie ohne zu athmen in ihren Armen ruhten, als hätte die jetzt gesicherte Thal sie schon im Voraus fast ohnmächtig gemacht. Allmählich aber stellte sich das Gefühl in ihren Körpern wieder ein, sie umschlangen sich noch leidenschaftlicher als zuvor. Plötzlich lösten sich ihre Arme.
    »Und was für einen Vorwand werden wir gebrauchen müssen? Er kann nicht früher als um acht Uhr Abends fahren, wenn sein Dienst vorüber ist. Er kann also vor zehn Uhr nicht hier sein: das ist viel werth … Halt, da hat mir Misard gerade von einem Käufer gesprochen, der das Haus übermorgen früh besichtigen will. Ich telegraphire also an meinen Mann, sobald ich aufgestanden bin, daß seine Anwesenheit hier durchaus nothwendig ist. Er wird morgen Abend hier eintreffen. Du reist morgen Nachmittag von hier ab und kannst noch vor ihm wieder hier sein. Es ist Nacht, kein Mondschein, nichts stört uns. Alles geht glatt.«
    »Ja, Alles.«
    Und nun liebten sie sich nach Herzenslust. Als sie endlich Arm in Arm einschliefen, in dem mächtigen Schweigen, war es noch nicht Tag; der erste Schimmer der Dämmerung begann die Finsterniß zu erhellen, in der sie wie in einen schwarzen Mantel eingehüllt lagen. Er schlief bis gegen zehn Uhr fest und traumlos. Als er die Augen öffnete, befand er sich allein, Séverine kleidete sich in ihrem Zimmer auf der anderen Seite des Treppenflurs an. Ein breiter Strahl der Sonne drang durch das Fenster, entzündete die rothen Bettvorhänge, die rothen Tapeten an den Wänden und das Gemach flammte auf von diesem Roth, während das

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