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Die Bestie im Menschen

Die Bestie im Menschen

Titel: Die Bestie im Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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mehr hier sein,« rief er besorgt, er fürchtete, die Untersuchung könnte ihm entgehen, »er ist jedenfalls heute früh nach Paris zurückgegangen.«
    »Bitte um Entschuldigung,« sagte Roubaud mit ruhiger Miene … »Für heute Abend ist ein reservirtes Koupee bestellt, deshalb ist der Waggon zurückgehalten worden und steht dort in der Remise.«
    Er ging voran, der Commissär und der Bahnhofsvorsteher folgten ihm. Inzwischen hatte sich die Neuigkeit schon verbreitet, die Männer ließen ihre Arbeit ruhen und schlossen sich neugierig Jenen an. In den Thüren der verschiedenen Bureaus zeigten sich die Beamten und kamen einer nach dem andern näher. Bald war ein ganzer Auflauf fertig.
    Als man bei dem Waggon anlangte, bemerkte Herr Dabadie laut:
    »Der Wagen ist jedenfalls gestern Abend schon visitirt worden. Wenn etwas zu sehen gewesen wäre, hätte man es jedenfalls rapportirt.«
    »Wir wollen trotzdem einmal nachsehen,« meinte Herr Cauche.
    Er öffnete die Thür und betrat das Koupee. Im selben Augenblick schrie und fluchte er auch schon wie besessen.
    »In des Teufels Namen! Das sieht ja aus, als hätte man hier ein Schwein abgestochen.«
    Ein gelindes Frösteln überlief die Anwesenden, die Köpfe streckten sich vor. Herr Dabadie trat zunächst auf das Trittbrett. Hinter ihm reckten die Uebrigen, auch Roubaud, die Hälse, um besser sehen zu können.
    Das Innere des Koupees zeigte keine auffallende Unordnung. Die Fenster waren geschlossen geblieben, alles schien an seinem Platze. Aber ein ekler Geruch strömte durch die geöffnete Thür. Und dort mitten auf einem Polster war schwarzes Blut zu einer Lache geronnen und diese tiefe, breite Lache hat ein Bächlein von Blut entsendet, das über den Boden dahinfloß. Die Vorhänge zeigten ebenfalls Blutflecke, nichts anders als dieses widerliche Blut war zu sehen.
    »Wo sind die Leute, die gestern Abend den Waggon visitirt haben? Sie sollen sofort herkommen,« herrschte Herr Dabadie.
    Sie waren schon zur Stelle und traten, Entschuldigungen stotternd, näher: sie hätten bei Nacht nichts erkennen können, hatten aber alles gehörig nachgesehen, das könnten sie beschwören.
    Herr Cauche blieb noch im Koupee und machte sich mit einem Bleistift Notizen für seinen Bericht. Er rief Roubaud heran, mit dem er gern verkehrte und auf dem Quai in dessen Freistunden, Cigarretten rauchend, umherschlenderte.
    »Steigen Sie mal herauf, Herr Roubaud, und helfen Sie mir.«
    Als der Unter-Inspector behutsam über das Blut am Fußboden gestiegen war, rief Herr Cauche ihm zu:
    »Sehen Sie unter dem andern Polster nach, ob da was zu finden ist.«
    Roubaud hob das Kissen auf und suchte mit vorsichtig tastenden Händen und den Blicken eines Neugierigen.
    »Nichts zu sehen.«
    Aber ein Fleck auf dem Schoner des Rückenkissens zog seine Aufmerksamkeit auf sich; er zeigte ihn dem Commissär . War es nicht der blutige Abdruck eines Fingers? Nein, man einigte sich, daß es ein Spritzer war. Die Menschen waren nahe herangedrängt, um dem Gange der Untersuchung besser folgen zu können und besprachen hinter dem Rücken des Stationsvorstehers das Verbrechen, der als feinfühliger Mann auf dem Trittbrett stehen geblieben war.
    Plötzlich schien ihm etwas einzufallen.
    »Sagen Sie mal, Herr Roubaud, befanden Sie sich nicht in demselben Zuge? … Sie sind doch gestern Abend mit dem Schnellzuge zurückgekommen? … Können Sie uns einige Aufschlüsse geben?«
    »Ganz recht,« rief der Commissär. »Haben Sie etwas gesehen?«
    Drei oder vier Sekunden hindurch blieb Roubaud stumm. Er hielt den Kopf so lange etwas gesenkt und sondirte den Fußboden. Dann aber erhob er sofort das Gesicht und antwortete mit seiner natürlichen, etwas fetten Stimme:
    »Gewiß, was ich weiß, will ich Ihnen gern erzählen … Meine Frau war bei mir. Da meine Aussagen zu Protokoll genommen werden, möchte ich gern, daß meine Frau herkommt, um durch ihre Erinnerungen die meinen zu kontrolliren.«
    Herrn Cauche erschien dieser Vorschlag sehr vernünftig und Pecqueux, der soeben hinzugekommen war, erbot sich, Séverine zu holen. Er rannte spornstreichs davon; man mußte sich etwas gedulden. Philomène, die sich mit ihm zugleich eingefunden hatte, blickte ihm nach, sie verstand nicht recht, warum gerade er sich zu dieser Dienstleistung anbot. Als sie aber jetzt Frau Lebleu bemerkte, die sich mit der ganzen Kraft ihrer wassersüchtigen Beine vorwärts wälzte, lief sie ihr entgegen und unterstützte sie. Die beiden Frauen

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