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Die Bestie im Menschen

Die Bestie im Menschen

Titel: Die Bestie im Menschen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Émile Zola
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verschafft hat. So wird es wahrscheinlich auch gekommen sein, nicht wahr, mein Herz?«
    Und Séverine, wie gebrochen, das Taschentuch vor den überfließenden Augen, wiederholte mechanisch:
    »So wird es gewiß gewesen sein.«
    Jetzt war eine Spur vorhanden. Ohne ein Wort zu wechseln, tauschten der Polizeicommissär und der Bahnhofsvorsteher einen Blick des Einverständnisses aus. In der Menge machte sich eine Bewegung kund, man fühlte, daß die Untersuchung beendet war und jeden kitzelte es, die Geschichte mit eigenen Commentaren weiter zu verbreiten, jeder wußte eine andere Thatsache. Der Bahnhofsdienst war augenblicklich so gut wie eingestellt, das ganze Personal war, von dem Drama angelockt, hier versammelt. Man war überrascht, als man schon den neun Uhr achtunddreißig Zug einfahren sah. Man eilte davon, die Koupeethüren öffneten sich, der Strom der Passagiere ergoß sich über den Bahnsteig. Die meisten Neugierigen aber waren bei dem Commissär geblieben, der als gewissenhafter Mann noch einmal das blutige Koupee durchsuchte.
    Pecqueux, der zwischen Frau Lebleu und Philomène heftig gestikulirte, bemerkte in diesem Augenblick seinen Lokomotivführer Jacques Lantier, der soeben mit dem Zuge angekommen war und unbeweglich von fern den Auflauf beobachtete. Er winkte ihm eifrig mit der Hand herbei. Zunächst rührte sich Jacques nicht, dann aber entschloß er sich langsam näher zu kommen.
    »Was ist hier los?« fragte er seinen Heizer.
    Er kannte ja die Geschichte von dem Morde und hörte auf die Vermuthungen nur mit halbem Ohr hin. Was ihn überraschte und fremd berührte, war der zufällige Umstand, daß gerade er in diese Untersuchung hineinplatzen, daß er dieses in der Dunkelheit mit rasender Schnelligkeit bei ihm vorübergeflogene Koupee hier wiederfinden sollte. Er streckte den Kopf vor und sah das geronnene Blut auf dem Polster. Die Todtschlagsscene trat ihm wieder vor die Erinnerung, er sah im Geiste den Leichnam mit durchschnittenem Halse ausgestreckt neben dem Geleise liegen. Als er die Augen abwandte, bemerkte er die Roubaud, während Pecqueux fortfuhr zu erzählen, wie Jene in die Geschichte verflochten worden seien, indem sie von Paris aus in demselben Zuge mit dem Ermordeten reisten, und welches des Präsidenten letzte Worte in Rouen gewesen waren. Den Mann kannte er, er wechselte, seitdem er den Eilzug führte, fast täglich einen Händedruck mit ihm, die Frau hatte er schon von Weitem gesehen; sein krankhafter Zustand hatte ihn von ihr, wie von allen andern fern gehalten. Aber in dieser Minute, wie er sie so bleich und weinend, mit dem sanften Blick ihrer trauernden blauen Augen unter dem schwarzen Lockengewirr dort stehen sah, fühlte er sich tief ergriffen. Sein Auge verließ sie nicht mehr, er war wie abwesend, er fragte sich wie betäubt, warum die Roubaud und er eigentlich hier ständen, warum dieser Mord gerade sie vor diesem Waggon zusammenbrächte, sie, die am Abend vorher von Paris, er, der soeben erst aus Barentin gekommen war.
    »Ich weiß, ich weiß,« unterbrach er laut den Heizer. »Ich stand gerade am Ausgange des Tunnels und glaube etwas gesehen zu haben, als der Zug vorüberfuhr.«
    Das war ein Drängen, Alle rückten ihm so dicht als möglich auf den Leib. Er selbst war der erste, der erzitterte und sich erstaunt und bestürzt fragte, was er soeben gesagt hätte. Warum hatte er nun doch gesprochen, trotzdem er es sich so fest vorgenommen hatte, zu schweigen? Er hatte so viele gewichtige Gründe, die ihn schweigen hießen! Aber die Worte waren ihm wider seinen Willen entschlüpft, während er jene Frau ansah. Sie hatte ihr Taschentuch vom Gesicht entfernt und wandte ihm ihre starren, sich unheimlich vergrößernden Augen zu.
    Der Commissär war mit dem Bahnhofsvorsteher ebenfalls hart an ihn herangetreten.
    »Was haben Sie gesehen?«
    Und Jacques sagte unter dem Banne von Séverine’s durchbohrendem Blicke, was er gesehen hatte: das erleuchtete Koupee, das mit Sturmeseile durch die Nacht geführt wurde, die flüchtigen Profile der beiden Männer, der eine in die Ecke gedrückt, der andere mit dem Messer in der Faust. Roubaud horte neben seiner Frau stehend zu und heftete ebenfalls seine großen, erbleichten Augen auf ihn.
    »Würden Sie also den Mörder wiedererkennen?« fragte der Commissär.
    »Nein, ich glaube nicht.«
    »Trug er einen Ueberrock oder eine Blouse?«
    »Ich kann es nicht mit Bestimmtheit sagen. Denken Sie doch, ein Zug, der mit einer Schnelligkeit von

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