Die Bestie von Florenz
mit der Serie von Doppelmorden in Verbindung bringt«.
Mit anderen Worten: Wegen dieses Türstoppers verdächtigten sie Spezi jetzt nicht nur der Behinderung oder versuchten Einflussnahme auf die Ermittlungen im Fall der Bestie. Jetzt glaubten sie, dass ein Gegenstand, der in seinem Haus gefunden worden war, ihn direkt mit einem der Verbrechen selbst in Verbindung brachte.
Die Chi L’ha Visto? -Sendung und der Artikel vom 23. Juni hatten Giuttaris Hass und Argwohn gegenüber Spezi endgültig erhärtet. In einem Buch, das Giuttari über den Fall veröffentlichte – Das Monster von Florenz: Anatomie einer Ermittlung –, erklärte der Hauptkommissar, wie sich sein Verdacht erhärtet hatte. Das ist ein interessanter Einblick in seine Denkweise.
»Am 23. Juni«, schrieb Giuttari, »erschien in der Nazione ein weiterer ›Exklusiv‹-Artikel aus seiner [Spezis] Feder – ein Interview mit dem zu lebenslanger Haft verurteilten Mario Vanni mit dem Titel Ich werde als Bestie sterben, aber ich bin unschuldig. «
In der Story erwähnte Spezi, dass er Vanni einmal, viele Jahre vor den Bestien-Morden, in San Casciano begegnet war. Das schien Giuttari ein bedeutender Hinweis zu sein. »Ich war ein wenig überrascht, dass die beiden sich seit ihrer Jugend kennen«, schrieb er. »Noch mehr allerdings trifft mich der seltsame Zufall, dass der vehemente öffentliche Gegner der institutionellen Ermittlungen gegen das ›Monster‹, der strikt die ›sardische Spur‹ verfocht, nicht nur sein gutes Einvernehmen mit dem Apotheker demonstriert hat, gegen den ja ermittelt wird, sondern jetzt auch noch enthüllt, dass er ein langjähriger Freund Mario Vannis ist.«
Giuttari schrieb weiterhin, Spezi habe sich »unermüdlich für eine Fernsehsendung … eingesetzt«, die versuchte, die Aufmerksamkeit wieder auf die Sardinien-Spur zu lenken, und Ermittlungen und Zeugen diskreditierte.
»Jetzt aber«, schrieb Giuttari, werde Spezis »Aufdringlichkeit langsam verdächtig«.
Mit dem Türstopper hatten Giuttari und Mignini jetzt den greifbaren Beweis, den sie brauchten, um Spezi mit dem Tatort eines Bestien-Mordes in Zusammenhang zu bringen.
Als die Polizisten gegangen waren, stieg Spezi langsam die Treppe zu seiner Dachkammer hinauf; ihm graute davor, was er dort vorfinden mochte. Es sah sogar noch schlimmer aus, als er befürchtet hatte. Er ließ sich auf den Stuhl sinken, den ich ihm vor meiner Abreise aus Florenz geschenkt hatte, vor dem leeren Platz, an dem sein Computer gestanden hatte, und starrte lange auf das Chaos um sich herum. In diesem Moment erinnerte er sich an jenen kristallklaren Morgen des 7. Juni 1981 – dreiundzwanzig Jahre zuvor –, an dem sein Kollege ihn gebeten hatte, das Kriminalressort mit zu übernehmen, und ihm versichert hatte, an einem Sonntagmorgen passiere in Florenz nie etwas.
Nicht in seinen wildesten Träumen hätte er sich ausmalen können, wo das alles enden würde.
Er wollte mich anrufen, erzählte er mir später, aber zu diesem Zeitpunkt war es in Amerika mitten in der Nacht. Er konnte mir keine E-Mail schreiben – er hatte keinen Computer. Er beschloss, aus dem Haus zu gehen, durch Florenz zu spazieren und nach einem Internet-Café zu suchen, von dem aus er mich benachrichtigen konnte.
Draußen vor dem Haus warteten eine Menge Journalisten und Fernsehteams auf ihn. Er sagte ein paar Worte, beantwortete Fragen, stieg dann in sein Auto und fuhr in die Stadt. In der Via de’ Benci, ein paar Schritte von Santa Croce entfernt, betrat er ein Internet-Café voller pickliger amerikanischer Studenten, die über VOIP mit ihren Eltern sprachen. Er setzte sich vor einen Computer. Von irgendwoher hörte er ein wenig gedämpft die traurige Posaune von »Goodbye Pork Pie Hat« von Charlie Mingus. Spezi loggte sich in seinen Mailserver ein und stellte fest, dass er eine Nachricht von mir hatte, mit Anhang.
Während der Arbeit am Bestien-Buch hatten wir einander E-Mails mit den Korrekturen geschrieben, die wir in den Kapiteln des jeweils anderen gemacht hatten. Was er nun im Anhang fand, war das letzte Kapitel des Buchs, das ich geschrieben hatte – über das Interview mit Antonio. Er schickte mir eine E-Mail, in der er mir von der Durchsuchung seines Hauses berichtete.
Am nächsten Morgen, nachdem ich die E-Mail gelesen hatte, rief ich ihn an, und er erzählte mir alles genauer. Er bat mich um Hilfe dabei, die Beschlagnahme unseres recherchierten Materials öffentlich zu machen.
Zu den Dokumenten, die
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