Die Bestie von Florenz
und anderen, bei denen sie ein Interesse vermuten, »ihn zu decken«.
Deshalb wenden wir uns an Dich.
Da ich in den letzten Tagen meiner üblichen Aufgabe enthoben war, hatte ich Gelegenheit, Dr. Mignini zu erklären, dass Du unmöglich in die Sache verwickelt sein kannst, und ich sage Dir noch einmal, Douglas, was Dich angeht, ist man völlig überzeugt und gelassen …
Also spreche ich Dir erneut meine Einladung aus, mich in Italien zu besuchen, dann wirst Du sehen, dass sich mit dem Staatsanwalt alles klären lässt, den Du, wenn Du es wünschst, sogar in Perugia treffen kannst, gemeinsam mit Deinem Anwalt, ich hoffe, ein anderer als Spezis Anwälte, und dann wird man Dich von jeglichen Vorwürfen entlasten.
Ich habe das Buch gelesen, Dolci Colline di Sangue: Und ich kann Dir jetzt schon sagen, dass es besser wäre, Dein Name stünde nicht auf diesem Buch. Die Staatsanwaltschaft hat es ebenfalls bereits, und ich fürchte, das wird ein juristisches Nachspiel haben … Bedauerlicherweise, lieber Douglas, hast Du Deinen Namen unter den Inhalt dieses Buchs gesetzt. Das ist eine sehr ernste Angelegenheit, die mit Migninis Arbeit nichts zu tun hat, sondern nun ins Blickfeld des Strafjustizsystems geraten ist und möglicherweise Deine Karriere als Schriftsteller gefährden könnte. Spezi hat sich Deinen prestigeträchtigen Namen zunutze gemacht und dich in diese Situation gebracht, die abzumildern ich Dir helfen kann, wenn Du nach Italien kommst, und ich kann mich nur wiederholen, es ist äußerst dringend, dass wir uns sehen, glaube mir. Auf diesem Buch, porca miseria , steht Dein Name! Entschuldige, aber es macht mich so wütend, wenn ich an die teuflische Verschlagenheit dieses Spezi denke …
Ich erwarte Deine Antwort und umarme Dich und Deine Familie.
Gabriella.
Eines noch: Da ich der Meinung bin, dass The New Yorker sich von Spezi und dessen Taten »distanzieren« sollte, könnte ich, wenn Du möchtest, in einem Interview gewisse Dinge erklären und Dich aus der Situation herausholen, in die Spezi Dich mit hineingezogen hat, womit ich meine, ich kann der amerikanischen Presse Deine mangelnde Beteiligung an dem »Betrug« demonstrieren.
Ungläubig las ich die E-Mail, und endlich, zum ersten Mal seit Wochen, musste ich über die schiere Absurdität der ganzen Geschichte lachen. Hätte irgendein Schriftsteller, selbst einer von der Art eines, sagen wir, Norman Mailer, es gewagt, sich eine Romanfigur wie diese Frau auszudenken? Ich glaube nicht.
Der 28. April, der Tag von Spezis Verhandlung vor dem Überprüfungsgericht, rückte näher. Am 27. April telefonierte ich mit Myriam. Sie hatte entsetzliche Angst davor, was bei der Anhörung passieren könnte, und erzählte mir, dass Marios Anwälte ihre Sorge teilten. Wenn die Richter den Haftbefehl gegen Spezi nicht aussetzten, würde er mindestens drei Monate lang im Gefängnis bleiben, ehe die nächste gerichtliche Haftprüfung beantragt werden konnte, und dann wäre eine Aussetzung der Untersuchungshaft noch unwahrscheinlicher als jetzt. Die Mühlen der italienischen Justiz mahlen unendlich langsam; die hässliche Wahrheit sah so aus, dass Spezi womöglich jahrelang im Gefängnis sitzen würde, ehe sein Fall endlich vor Gericht kam.
Spezis Anwälte hatten erfahren, dass Mignini bei der Verhandlung von Anfang an mit vollem Druck vorgehen würde, um absolut sicher zu sein, dass Spezi nicht freigelassen wurde. Dieser Fall erhielt so viel öffentliche Beachtung wie noch keiner, den der Staatsanwalt in seiner bisherigen Karriere vertreten hatte. Die heimische und internationale Presse hatte ihn scharf kritisiert, und diese Kritik wurde immer lauter. Sein Ruf hing davon ab, dass er diese mündliche Verhandlung gewann.
Ich rief Niccolò an und fragte ihn, ob er eine Vorhersage machen könne, was Marios weiteres Schicksal anging. Er gab sich zurückhaltend und pessimistisch. »In Italien schützen Richter ihresgleichen«, mehr wollte er dazu nicht sagen.
Kapitel 55
Am 28. April 2006 traf ein Minibus im Capanne-Gefängnis ein, der Spezi und andere Gefangene, die an diesem Tag Verhandlung hatten, zum Gericht nach Perugia fahren sollte. Spezis Wärter brachten ihn heraus, und er wurde gemeinsam mit den anderen in einen Käfig im Laderaum geschoben.
Das tribunale , eines der berühmten Gebäude im mittelalterlichen Kern von Perugia, erhebt sich an der Piazza Matteotti wie ein luftiges gotisches Schloss aus weißem Marmor. Es ist in sämtlichen Stadtführern beschrieben und
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