Die Bestie von Florenz
Geldes wegen getan hat – ich habe ihm hin und wieder ein paar Euro gegeben, um seine Unkosten zu decken, Tanken beispielsweise. Aber das war nie viel. Und er hat einen hohen Preis bezahlt – er wurde ebenfalls festgenommen, als mein ›Komplize‹. Wer weiß? Vielleicht ist seine Geschichte auch wahr.«
»Warum die Villa Bibbiani?«
»Könnte purer Zufall gewesen sein. Womöglich haben die Sarden diese alten Bauernhäuser auch tatsächlich irgendwann einmal genutzt.«
Spezi rief mich am 4. Mai wieder an, sofort nach der Vernehmung. Zu meiner großen Überraschung war er bestens gelaunt. »Doug«, sagte er leise lachend, »die Vernehmung war wunderbar, einfach wunderbar. Das war einer der schönsten Momente meines Lebens.«
»Raus damit.«
»Heute Morgen«, erzählte er, »hat mein Anwalt mich mit seinem Wagen abgeholt, und wir haben unterwegs an einem Zeitungskiosk gehalten. Ich wollte meinen Augen nicht trauen, als ich die Schlagzeile gesehen habe. Ich habe die Zeitung hier. Ich lese sie dir vor.« Er machte eine dramatische Pause. »›Leiter der GIDES, Giuttari, wegen Fälschung von Beweisen angeklagt.‹ Bello , eh?«
Ich lachte schadenfroh. » Fantastico! Was hat er getan?«
»Die Sache hatte gar nichts mit mir zu tun. Hier steht, dass er die Tonbandaufnahme einer Unterhaltung mit irgendeiner anderen Person in dem Bestien-Fall manipuliert hat – einer bedeutenden Person, nämlich einem Richter. Aber das ist noch nicht das Beste. Ich habe die Zeitung so zusammengefaltet, dass die Schlagzeile sichtbar war, und sie zur Vernehmung mit in Migninis Büro genommen. Ich habe mich hingesetzt und mir die Zeitung auf die Knie gelegt, so dass die Schlagzeile Mignini zugewandt war.«
»Wie hat er darauf reagiert?«
»Er hat sie gar nicht gesehen! Mignini hat mich nicht einmal angeschaut, er ist meinem Blick die ganze Zeit über ausgewichen. Die Vernehmung hat nicht lang gedauert – ich habe mich auf mein Zeugnisverweigerungsrecht berufen, und das war’s. Fünf Minuten. Das Komischste war, dass der Stenograph die Schlagzeile gesehen hat. Ich habe beobachtet, wie der Mann den Hals gereckt hat wie eine Schildkröte, um sie zu lesen. Dann hat der arme Kerl verzweifelt versucht, Mignini darauf aufmerksam zu machen! Vergeblich. Keine Sekunde nachdem ich das Büro verlassen hatte – ich stand noch auf dem Flur –, kam ein Carabiniere zur Tür herausgeschossen und ist die Treppe zum Ausgang hinuntergerannt, zweifellos unterwegs zum nächsten Zeitungskiosk.« Er lachte hämisch. »Anscheinend hatte Mignini heute Morgen noch keine Zeitung gelesen! Er wusste gar nichts davon!«
Vor dem Büro des Oberstaatsanwalts hatte eine Schar Journalisten auf Spezi gewartet. Während die Kameras surrten und klickten, hielt Spezi die Zeitung in die Höhe und zeigte ihnen die Schlagzeile. »Mehr brauche ich heute wohl nicht zu sagen.«
»Ist es nicht genau so gekommen, wie ich gesagt habe?«, bemerkte Graf Niccolò tags darauf. »Giuttaris Kopf rollt. Mit deiner Kampagne hast du die italienische Justiz vor der ganzen Welt bloßgestellt, und es bestand die Gefahr, dass die italienische Richterschaft international zum Gespött wird. Spezi und seine Rechte interessieren die nicht. Sie wollten die Sache nur so schnell wie möglich aus der Welt schaffen. Denen geht es nur darum, das Gesicht zu wahren. La faccia, la faccia! Es überrascht mich allerdings, dass es viel schneller ging, als ich erwartet hätte. Mein lieber Douglas, das ist der Anfang vom Ende für Giuttari. Wie rasch doch das Pendel in die andere Richtung ausschlägt!«
Am selben Tag schaffte es unser Buch, Dolci Colline di Sangue , auf die italienischen Bestsellerlisten.
Das Pendel hatte nun tatsächlich zu unseren Gunsten ausgeschlagen, und zwar heftig. Der oberste italienische Gerichtshof lehnte Migninis Berufung mit der knappen Begründung ab, sie sei »unzulässig«, und stellte auch gleich sämtliche Verfahren gegen Spezi ein. Es würde kein Gerichtsverfahren und auch keine Ermittlungen mehr gegen ihn geben. »Eine gewaltige Last ist von mir genommen«, sagte Spezi dazu. »Ich bin ein freier Mann.«
Einige Monate später durchsuchte die Polizei die Büros von Giuttari und Mignini und beschlagnahmte kistenweise Akten. Sie stellten fest, dass Mignini sich auf ein Anti-Terror-Gesetz berufen hatte, um Journalisten abhören zu lassen, die sich kritisch über seine Ermittlungen im Fall der Bestie von Florenz geäußert hatten – die Abhörgeräte waren von Giuttari und
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