Die Bestie von Florenz
altmodischer Höflichkeit beteiligte. Er trug eine Brille, die ihn wie einen Lateinlehrer wirken ließ. Francesco, der Jüngste, war extrovertiert und dreist, ein Mann der Tat mit machohaftem Gehabe, der wahre balente unter den Brüdern.
Natürlich hassten sie einander.
In der Toskana angekommen, fand Salvatore Arbeit als Maurer. Francesco verbrachte die meiste Zeit in einer Bar außerhalb von Florenz, ein berüchtigter Treffpunkt sardischer Krimineller. Sie war das inoffizielle Hauptquartier von drei berühmten sardischen Verbrechern, die ein klassisches sardisches Geschäft in die Toskana exportiert hatten: Entführung und Erpressung von Lösegeld. Diese Männer waren zum Teil verantwortlich für die Welle von Entführungen, unter der die Toskana in den späten sechziger und frühen siebziger Jahren litt. In einem Fall, als das Lösegeld nicht schnell genug bezahlt wurde, ermordeten sie das Opfer, einen Grafen, und entledigten sich der Leiche, indem sie sie an menschenfressende Schweine verfütterten – ein Detail, das Thomas Harris sehr effektvoll in seinem Roman Hannibal verarbeitete. Soweit wir wissen, war Francesco Vinci an diesen Entführungen nicht beteiligt. Er widmete sich kleinen Raubüberfällen, Diebstahl und einer anderen guten alten sardischen Tradition – dem Viehdiebstahl.
Salvatore mietete sich ein Zimmer in einem heruntergekommenen Haus, in dem eine sardische Familie namens Mele lebte. Stefano Mele wohnte hier mit seinem Vater, seinen Geschwistern und seiner Frau, Barbara Locci. (In Italien ist es durchaus üblich, dass die Frau nach der Hochzeit ihren Mädchennamen behält.) Barbara Locci war verführerisch, dunkeläugig, mit einer flachen Nase und fleischigen, wohlgeformten Lippen. Sie trug gern hautenge rote Röcke, die ihre üppigen Kurven betonten. Sie war noch ein Teenager gewesen, als ihre verarmte Familie die Ehe mit Stefano arrangierte, der aus ein wenig besseren Verhältnissen stammte. Er war viel älter als sie und obendrein uno stupido , ein Dummkopf. Als die Familie Mele von Sardinien in die Toskana auswanderte, ging sie mit.
In der Toskana machte sich die äußerst lebhafte junge Barbara daran, die Familienehre der Meles zu ruinieren. Oft stahl sie ihren Schwiegereltern Geld, ging in die Stadt auf der Suche nach Männern, gab ihnen Geld und schmuggelte sie sogar ins Haus der Meles. Stefano war völlig unfähig, sie zu zügeln.
Um ihren nächtlichen Abenteuern ein Ende zu setzen, ließ der Patriarch der Familie Mele, Stefanos Vater, die Fenster im Erdgeschoss mit Eisengittern versehen und versuchte, Barbara im Haus eingesperrt zu halten. Auch das half nichts. Barbara ließ sich mit ihrem Untermieter ein, Salvatore Vinci.
Barbaras Ehemann stand dieser Affäre nicht im Wege. Er ermunterte seine Frau sogar. Salvatore Vinci sagte später aus: »Er war nicht eifersüchtig. Er war derjenige, der mir angeboten hat, bei ihnen einzuziehen, als ich nach einer Unterkunft gesucht habe. ›Komm, du kannst bei uns wohnen!‹, hat er gesagt. ›Wir haben ein freies Zimmer.‹ ›Was soll es kosten?‹ ›Gib mir einfach, so viel du kannst.‹ Also bin ich bei Mele eingezogen. Und er hat mir seine Frau praktisch gleich ins Bett gebracht. Dann hat er mich gedrängt, mit ihr ins Kino zu gehen. Er hat gesagt, er hätte nichts dagegen. Oder er ging lange Karten spielen und ließ mich mit ihr allein im Haus.«
Dann wurde Stefano auf dem Motorrad von einem Auto angefahren und musste mehrere Monate im Krankenhaus verbringen. Im Jahr darauf gebar Barbara ihm einen Sohn, Natalino, aber jeder, der bis neun zählen konnte, musste erkennen, dass die Vaterschaft äußerst zweifelhaft war.
Als der Patriarch der Familie die ständigen Entehrungen satthatte, warf er Stefano und seine Frau aus dem Haus, und Salvatore mit ihnen. Stefano und Barbara mieteten ein Dreckloch in einer ärmlichen Vorstadt von Florenz. Sie traf sich weiterhin mit Salvatore, und das mit dem völligen Einverständnis, ja der begeisterten Unterstützung ihres Ehemannes.
»Was sie so anziehend machte?«, sagte Salvatore später über Barbara aus. »Na ja, im Bett war sie alles andere als ein Mehlsack. Sie wusste, was für ein Spiel sie trieb, und sie spielte sehr gut.«
Im Sommer 1968 verließ Barbara Salvatore und bandelte mit seinem Bruder Francesco an, dem balente , der den Macho gab. Bei ihm geriet Barbara in die Rolle der Gangsterbraut; sie ging in die Sarden-Bar, schäkerte mit den ganz harten Kerlen und ließ die Hüften
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