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Die Bestie von Florenz

Die Bestie von Florenz

Titel: Die Bestie von Florenz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Mario Douglas & Spezi Preston , Mario Spezi
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elende Weise ganz modern.
    Im Verlauf des Sommers wurde die allgemeine Anspannung beinahe unerträglich. Nur wenige in Florenz glaubten, dass die Bestie im Gefängnis saß. Mario Spezi warf einen Blick in den Kalender und stellte fest, dass es während des gesamten Sommers nur eine einzige Samstagnacht ohne Mondschein geben würde: die Nacht vom 28. auf den 29. Juli. Ein paar Tage vor diesem Wochenende lief Spezi im Polizeipräsidium zufällig Hauptkommissar Sandro Federico über den Weg. Nachdem sie sich eine Weile unterhalten hatten, sagte er: »Sandro, ich fürchte, dass wir uns am Sonntag alle auf dem Land wiedersehen werden.«
    Der Polizist hob zwei gekrümmte Finger zu »Teufelshörnern«, um Unheil abzuwehren.
    Sonntag, der 29., kam und ging völlig friedlich. Am frühen Montagmorgen, noch ehe die Sonne an diesem 30. Juli aufgegangen war, klingelte bei Spezi zu Hause das Telefon.

Kapitel 16
    Es war ein umwerfend schöner Morgen, klar und frisch, wie ein Geschenk der Götter. Spezi fand sich auf einer idyllischen Wiese voller Blumen und Heilkräuter außerhalb des Örtchens Vicchio ein, dem Geburtsort des Malers Giotto vierzig Kilometer nordöstlich von Florenz.
    Die Leichen der neuen Opfer, Pia Rontini und Claudio Stefanacci, waren vor dem Morgengrauen am Ende eines schmalen, halb mit Gras überwucherten Feldwegs gefunden worden, von Freunden, die die ganze Nacht lang nach den beiden gesucht hatten. Sie war neunzehn, er war eben erst zwanzig geworden. Der Fundort lag keine acht Kilometer von dem Feld bei Borgo San Lorenzo entfernt, wo die Bestie 1974 die ersten beiden Opfer ermordet hatte.
    Claudio saß noch im Auto, das neben einem bewaldeten Hügel namens La Boschetta, »das Wäldchen«, geparkt war. Pia war ein paar Dutzend Meter hinaus auf die Wiese geschleift worden, wieder ein gut einsehbarer Schauplatz keine zweihundert Meter von einem Bauernhaus entfernt. Sie war auf die gleiche Weise verstümmelt worden wie die anderen weiblichen Opfer. Aber diesmal war der Mörder noch weiter gegangen. Er hatte ihr die linke Brust abgerissen – das Wort »entfernt« wäre hier nicht zutreffend. Der Todeszeitpunkt wurde durch eine Zeugenaussage belegt: Ein Bauer hatte abends um zwanzig vor zehn die Schüsse gehört und sie für Fehlzündungen eines Motorrollers gehalten.
    Dieses jüngste Verbrechen war verübt worden, während alle drei Hauptverdächtigen – Francesco Vinci, Piero Mucciarini und Giovanni Mele – im Gefängnis saßen.
    Der neuerliche Doppelmord rief Entsetzen, Verwirrung und einen Chor bitterer Vorwürfe gegen die Polizei hervor. Wieder machte der Fall Schlagzeilen in ganz Europa. Die Leute hatten den Eindruck, dass der Mörder die Liste seiner Opfer ständig verlängerte, während die Polizei nichts unternahm, als Verdächtige zu verhaften, deren Unschuld dann dadurch erwiesen wurde, dass die Bestie wieder zuschlug. Mario Rotella jedoch weigerte sich, die drei Verdächtigen freizulassen. Er war sicher, dass sie an dem Mord von 1968 beteiligt gewesen waren und folglich die Identität der Bestie kannten.
    Die Ermittler bei Polizei und Staatsanwaltschaft, die mit dem Fall befasst waren, gerieten in Panik. Vigna flehte die Öffentlichkeit an: »Wer irgendetwas weiß, muss jetzt sprechen«, sagte er. »Gewiss gibt es Leute, die etwas wissen und aus irgendeinem Grund nichts sagen. Bei jemandem, der so schwer gestört ist wie dieser Verbrecher, muss die Familie doch zumindest etwas ahnen oder Anzeichen erkennen.«
    Eine frische Flutwelle anonymer Briefe schlug über dem Polizeipräsidium zusammen. Es waren Tausende von Briefen, manche aus Buchstaben zusammengesetzt, die aus Zeitungen ausgeschnitten waren. Sie füllten ein Regalbrett nach dem anderen und identifizierten einen Nachbarn, einen Verwandten, einen Bekannten mit seltsamen sexuellen Vorlieben, den Dorfpriester oder den Hausarzt als die Bestie. Wieder einmal waren Gynäkologen die Zielscheibe zahlreicher Anschuldigungen. Andere Briefe waren namentlich unterzeichnet, manche sogar von bekannten Intellektuellen, die wirre Hypothesen darboten, durchsetzt mit gebildeten Zitaten und ein paar Fetzen Latein.
    Nach dem Doppelmord von Vicchio wurde die Bestie von Florenz zu mehr als einem Verbrecher. Der Täter nahm die Gestalt eines finsteren Spiegels an, der die Identität der Stadt selbst reflektierte – ihre dunkelsten Phantasien, ihre absonderlichsten Gedanken, ihre abscheulichsten Einstellungen und Vorurteile. Viele Briefeschreiber behaupteten, dass

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