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Die Bestien von Belfast

Die Bestien von Belfast

Titel: Die Bestien von Belfast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Millar
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betrachtete sich stets als Kriminellen mit Hirn, der wegen etwas Speziellem vor Ort ist, wie die weltgewandten Kunstdiebe in französischen Filmen. Andy liebte französische Kriminalfilme und hielt sich selbst für eine Art von Robin Hood, der von den Reichen stahl und den Armen gab – wobei »die Armen« in seinem Fall für Andy Fleming standen. In Wahrheit lag Andys Modus Operandi verwirrenderweise irgendwo zwischen den Heckenschützen und den Heuschrecken. Er wäre nie imstande gewesen, Gewalt anzuwenden, doch was das Spezielle anbetraf, so stahl Andy meist doch spontan das, was seine Fantasie anregte, wenn er sich irgendwo als ungebetener Gast aufhielt.
    Andy holte einen kleinen Lederbeutel aus der Innentasche und strich mit den Fingern zärtlich über das Arsenal an Dietrichen darin, während er um das Haus herum zu einer dunklen Mahagonitür schlich. Es dauerte keine Minute, da kapitulierte die massive Tür vor dem winzigen Dietrich und schwang nach innen auf.
    Andy fühlte sich eingeladen und trat ein.
    Im schattigen Dunkel schien sich das große Haus zusammenzuziehen, als würden sich zwei Hände um Andy schließen. Er schloss die Lider mehrere Sekunden, dann öffnete er sie langsam wieder. Ein alter Trick, um die Augen anzupassen, der immer funktionierte; anschließend begab er sich zielstrebig, aber vorsichtig nach oben und dankte dem Herrn in all Seiner Glorie für den Teppichboden, der seine Schritte dämpfte.
    Auf dem Treppenabsatz stand eine enorme Großvateruhr als Wachtposten, deren hohles Ticken sich wie Regentropfen auf einem Blechdach anhörte. Drei Zimmer und ein Bad erwarteten Andy auf diesem Stockwerk. Das Bad nahm er sich zuerst vor. Die Leute versteckten ihre Wertsachen immer listenreicher. Ausgehöhlte Rasierschaumtuben, falsche Seifenriegel. Andy hatte schon alles gesehen – und alles mitgehen lassen.
    Zwei Minuten später kam er mit leeren Händen, aber nach wie vor unbeirrt aus dem Bad, trat vor das erste der drei Zimmer und horchte, ob sich etwas regte.
    Es handelte sich offenbar um ein Gästezimmer. Er warf einen Blick ins Innere und trat ein. Auch dort fand er weder Bewohner noch etwas Wertvolles. Die beiden nächsten Zimmer folgten umgehend. Sie waren so aufgeräumt, dass es ans Sterile grenzte, bar jeder Wärme oder Gemütlichkeit.
    Andy verspürte keinesfalls Niedergeschlagenheit; sein Herz schlug sogar schneller, als wüsste er, dass sich alle Schätze auf dem nächsten Stockwerk befanden.
    Ganz ruhig … lass dir Zeit …
    Aus dem ersten Zimmer im zweiten Stock drangen Geräusche. Nervosität und Vorfreude flatterten mit dem zarten Flügelschlag winziger Fledermäuse in seinem Magen, als er vor der Tür stehen blieb und das Ohr gegen das kalte Holz presste.
    Ganz ruhig … Das hast du alles schon einmal gehört …
    Dünne Narben gedämpften Lichts leckten unter der Tür hervor. Andy drückte behutsam die Klinke hinunter, trat ein und sah ein großes Bett mit einem pechschwarzen Umriss zwischen den Laken.
    Eine Frau? Scheiße!
    Der Atem der schlafenden Frau war so sanft und doch deutlich, dass Andys Ohren kribbelten und er nicht anders konnte, als den entspannten Körper wie in Trance zu betrachten. Die Fledermäuse zogen sich aus Andys Magen zurück und wichen den Schmetterlingsflügeln sexueller Empfindungen.
    Das war Andys Achillesferse: Voyeurismus. Einmal, vor zwei Jahren, wäre er deswegen fast erwischt worden. Doch sosehr er sich auch bemühte, er konnte dem Sirenengesang einfach nicht widerstehen.
    Als Andy im fahlen Licht das Gesicht der Frau betrachtete, konnte er ihr Alter nur schwer abschätzen. Kleine schwarze Muttermale scharten sich um ihre Augen wie Fliegen auf einem verhungernden Kind. Haarsträhnen fielen ihr ins Gesicht und ragten, Bruchstücken eines Vogelnestes gleich, in den Mund.
    Nicht
, flüsterte die Stimme der Vernunft in Andys Kopf, während er die Hand so zärtlich wie ein Liebhaber nach ihrem Gesicht ausstreckte und behutsam die Haare aus ihrem Mund zog.
Du forderst das Schicksal heraus. Verschwinde, schnapp dir die Beute und sieh zu, dass du rauskommst …
    Die Frau regte sich und stöhnte leise mit halb geöffneten Lippen.
    Andy hörte schlagartig auf zu atmen und sog das Geräusch in sich auf. Köstlich. Plötzlich spürte er den Ansatz einer Erektion in der Hose.
    »Oh …«
    Oh, wahrhaftig.
    Die Frau drehte sich langsam auf die Seite, worauf Körperwärme und Frauendüfte von dem Bett aufstiegen und Andy auf betörende Weise in die Nase

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