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Die Bestien von Belfast

Die Bestien von Belfast

Titel: Die Bestien von Belfast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Millar
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krächzende Stimme.
    Andy verspürte ein mulmiges Gefühl in der Magengegend und erbleichte so, dass sein Gesicht die Farbe von Eierschalen annahm. Seine Nackenhärchen richteten sich zum Tanz auf.
Lauf! Mach so schnell du kannst die Biege. Die sind hinter dir her, Andy Pisser Fleming!
    Doch wider all die Jahre der Erfahrung und Intuition, blieb Andy reglos stehen und dachte über sein weiteres Vorgehen nach.
    Bist du verrückt? Nichts wie raus hier!
    Irgendein armer Teufel könnte in Not sein.
    Wenn du nicht schleunigst von hier verschwindest, bist du der arme Teufel in Not.
    Zögernd näherte er sich der Kellertür, über der eine Schrotflinte Kaliber  20 in einer aus zwei schnöden Nägeln bestehenden Halterung prangte. Andy verabscheute Schusswaffen jedweder Art, war jedoch unter ungewöhnlichen Umständen durchaus bereit, einmal eine Ausnahme zu machen. Er nahm die Waffe von der Wand und hielt sie linkisch in den zitternden Händen.
    Nervös öffnete er die Kellertür eine Winzigkeit, drückte zaghaft das Auge an den schmalen Spalt und taumelte ob des Anblicks, der sich ihm bot, unvermittelt rückwärts. Rosa, mit feuchten, roten Striemen und dunklen Streifen. Andy zitterte wie Espenlaub und bekam eine Scheißangst. Doch der grässliche Anblick war längst nicht so beunruhigend wie die schreckliche Wahrheit: Dieses Ding war einmal ein Mensch gewesen, doch jetzt, mit abgezogener Haut, glich es einer Erscheinung aus einem Beinhaus, gerade erst geschlachtet, vom Gestank von Tod und Verwesung umflort. Der Gestank fuhr durch Andys Nasenlöcher direkt in seinen brodelnden Magen.
    »Allmächtiger Gott …«, murmelte Andy und würgte.
    Ohne Vorwarnung streckte die Kreatur ihre klauenähnliche Hand aus. Geräusche drangen aus ihrem Mund, grässliche, seelenlose Klagelaute. »Hilf … mir. Die sind wahnsinnig …«
    Erst jetzt bemerkte Andy das kleine Kästchen an der Holzwand im Inneren des Kellers, dessen blinkendes blaues Auge ihm vorwurfsvoll zublinzelte. Er wollte über seine Dummheit und Arroganz lachen, da er die Drähte einer Falle gezogen hatte, die jeder Amateur aus einer Meile Entfernung erkannt hätte.
    Bullen! Die waren sicher schon unterwegs. Wie lange brüllte dieser stumme Alarm schon im nächstgelegenen Polizeirevier? Scheiße! In deinem Alter laufen fünf Jahre Knast auf lebenslänglich hinaus, Andy. Ich sagte doch, verschwinde so schnell du kannst. Noch ist Zeit. Lauf!
    »Tut mir leid …«, sagte Andy und wich hastig vor der zuckenden Monstrosität zurück. »Ich … ich kann Ihnen nicht helfen. Ich ruf die … Polizei und den Notarzt, wenn ich weg bin …«
    »Bitte … lassen Sie mich nicht allein … bitte. Die sind alle verrückt. Sie dürfen mich nicht mit denen allein lassen. Biiitte …«
    Andy machte blitzschnell auf dem Absatz kehrt und lief zur Hintertür, die Freiheit verhieß.
Ich muss hier weg, weg von dem Wahnsinn und dieser Monstrosität.
    Er stolperte zweimal und schaffte es kaum, die Hintertür zu öffnen, und dann stand er seinem wahren größten Albtraum gegenüber.
    »Lassen Sie die Waffe fallen!«, schrie ein Polizist, der seine gezückte Pistole direkt vor Andys schwitzendes, versteinertes Gesicht hielt. »Sofort!«
    »Sie verstehen nicht. Da drin ist ein blutüberströmtes Ding …«
    »Sofort!«
    Langsam und gehorsam legte Andy die Schrotflinte auf den Boden. »Okay, okay. Sehen Sie, ich gehorche«, verkündete Andy, den ein trockenes Schlucken in der Kehle kratzte. »Aber wenn Sie denken, ich sei das Problem, dann sehen Sie mal hinter der Kellertür nach.«
    »Legen Sie sich auf den Boden – schön ruhig.« Der Polizist kam näher. »Gut. Bleiben Sie so. Kein Mucks. Halten Sie den Mund.«
    Aber Andy war nicht nach Reden zumute. Er wollte weinen.

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    Kapitel  Sechs
    Mittwoch, 24 .Januar
    »And how am I to face the odds Of man’s bedevilment and God’s.« A. E. Housman,
Last Poems
    »Von hier oben sieht die Stadt so friedlich aus, was, Chris?«, begeisterte sich Karl. »Hätte ich das Geld, würde ich mir genau hier, an dieser Stelle, ein Haus bauen lassen. Was ist mit dir?«
    Unmittelbar rechts von Karl saß Chris Brown und ließ den Blick über die grüne Landschaft rings um das prachtvolle Belfast Castle schweifen. Da er den Rest seines Lebens an den Rollstuhl gefesselt war, blieb ihm wenig mehr, als zu sitzen. Rostige Flecken überzogen die Speichen seines Gefährts wie Krampfadern. In der Hand hielt Chris lässig eine Flasche billigen Wein. Halb

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