Die Bestien von Belfast
unschön, soweit ich weiß. Drogen scheinen auch im Spiel gewesen zu sein. Am Tatort wurde etwas Heroin gefunden. Sieht so aus, als hätte er versucht, irgendwelche Drogendealer zu bescheißen, vielleicht hat ihn aber auch nur seine Vergangenheit endlich eingeholt.«
Karl blieb stumm. Hatte er einen hämischen Unterton in Wilsons Stimme gehört?
»Kane? Bist du noch da?«
»Ja …«
»So sehr es mir missfällt, ich muss dich bitten, etwas für uns zu tun. Du bist unsere einzige Chance.«
»Es muss schlecht um die Polizei bestellt sein, wenn ich die einzige Chance bin. Mir ist, als wäre mir erst gestern mitgeteilt worden, ich sei nicht gut genug, Polizist zu sein.«
»Ist das dein Ernst? Das war wann? Vor zwanzig Jahren?«
»Es tat so weh«, sagte Karl.
»Ja, klingt ganz danach.«
»Gut, nachdem wir das also geklärt haben, was kann ich für die Polizei Gutes tun?«
»Du musst für uns Hicks’ Bunker aufsuchen und den Leichnam von Chris Brown offiziell identifizieren.«
Ein eiskalter Finger strich Karl plötzlich über den Rücken. »Was? Warum ich? Er hat eine große Familie. Warum fragst du nicht einfach einen von denen?«
»Keiner aus seiner Familie hat sich sehen lassen, und vermutlich kommt auch keiner mehr. Wahrscheinlich schämen sie sich. Du hast ihn doch gekannt, oder nicht?«
»Kaum«, log Karl mit verkrampftem Magen.
»Gut genug, wie es aussieht. Wir haben deine Visitenkarte bei ihm gefunden.« Das hörte sich wie ein Vorwurf an.
Denk nach! Schnell!
»Na und? Meine Visitenkarten sind überall. Das sind Sammlerstücke. Wie dem auch sei, ich bin mit einem Klienten in …«
»Ich habe keine Zeit für diesen Blödsinn. Ich könnte dich hierherschleifen und jeden Tag verhören lassen. Stattdessen fordere ich nur einen der vielen Gefallen ein, die du mir schuldest. Wir müssen das erledigen. Chief Constable Finnegan sitzt mir im Nacken. So, wie er heute Morgen am Telefon klang, hat er ein persönliches Interesse an dem Fall. Also, kommst du jetzt, oder nicht?«
Karl hörte die unterdrückte Ungeduld in Wilsons Stimme. Dass der Chief Constable Druck machte, ging Wilson vermutlich ziemlich an die Nieren – wenn nicht auf den Sack.
»Wie könnte ich dir einen Gefallen verweigern, wenn du mich so nett bittest? Gib mir eine Stunde«, sagte Karl und beendete das Gespräch mit einem Tastendruck.
»Was hatte das zu bedeuten?«, fragte Naomi, die augenblicklich wieder ins Zimmer schoss.
»Ich wünschte wirklich, du würdest aufhören, meine Telefonate zu belauschen. Ich bin schon paranoid genug. Chris Brown wurde gestern Nacht ermordet. Offenbar von Drogendealern erschossen.«
»Chris Brown?«
»Ein Mann mit sehr fragwürdiger Vergangenheit, jeder Menge Feinden und sehr wenigen Freunden. Außerdem war er querschnittsgelähmt.«
»Querschnittsgelähmt? Gott. Und die haben ihn erschossen? Wer macht so was?«
»Die Leute, denen ich immer aus dem Weg zu gehen versuche.«
»Gibt es Verdächtige?«
»Ungefähr zehn Telefonbücher voll«, antwortete Karl. »Chris Brown ist sicher nicht der Kandidat für einen Freiflug in den Himmel. Hat in seinem Leben schrecklich viele Leute getötet. Mitgefühl war nicht gerade seine Stärke.«
»Trotzdem tut er mir irgendwie leid, ganz gleich, was er angeblich getan haben mag.«
»Von
angeblich
kann keine Rede sein, Naomi. Wirklich. Egal, dir würde der Teufel leidtun, wenn er dir vorjammert, dass ihm der böse Erzengel Michael auf den Quastenschwanz getreten ist«, murmelte Karl. »Die meisten Menschen würden sagen, dass Chris keinen anderen Tod verdient und sich das selbst zuzuschreiben hat. Aber eines glaube ich nicht.«
»Und was?«
»Wilsons Theorie, dass Drogendealer mitten in der Nacht bei ihm einbrechen, um Rache zu nehmen.«
»Warum? Für mich hört sich das nach allem, was du vorher über den Mann gesagt hast, plausibel an.«
»Wilson sagte, es wurde Heroin am Tatort gefunden.«
»Und? Das stützt doch die Theorie mit den Drogendealern, oder?«
Karl schüttelte den Kopf und lächelte zynisch. »Ganz gleich, wie eilig Piraten es auch immer haben mögen, meine Teuerste, sie lassen nie ihre Beute zurück …«
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Kapitel Fünfzehn
Mittwoch, 14 .Februar (Nachmittag)
»Erschossen? Ihn so ein schnelles Ende lässt ereilen? Oh, das war gut, Freund, dass es dazu kam: Denn seine Krankheit ließ sich nimmer heilen, Gut war’s, dass er sie mit ins Grabe nahm.« A. E. Housman,
A Shropshire Lad
»Hicks ist Gott sei Dank heute bei
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