Die Bestien von Belfast
Mitternacht schrak Chris Brown aus dem Schlaf hoch. Chris gestattete sich selten einen echten Tiefschlaf, doch jetzt spürte er, dass etwas im Haus nicht stimmte. Es war ein lästiges Gefühl, wie eine Fliege, die einem im Nacken landet und gierig den salzigen Schweiß aufsaugt.
Jemand im Haus?
Unwahrscheinlich. Nein, unmöglich. Er hatte sein ganzes Geld in eine der modernsten Alarmanlagen investiert. Und dann war da schließlich noch sein treuer – wenn auch illegaler – Freund, ein »Raging Bull«-Revolver von Magnum, Kaliber . 41 , den Chris stets mit sich führte, wenn er sich im Haus aufhielt.
Das alles zusammengenommen hätte ihm das Gefühl geben sollen, in Sicherheit zu sein. Doch dem war nicht so. Zweifel und Vorsicht hatten ihm bereits das Leben gerettet. Ein gebranntes Kind scheut das Feuer.
Einige Furcht einflößende Sekunden lang reagierten die Muskeln in Chris’ Oberkörper nicht, wie straff gezogene Gummibänder, die sich weder dehnen noch zusammenziehen ließen. Dann gewann die Willenskraft die Oberhand. Chris erlangte die Kontrolle wieder.
Vorsichtig ließ er sich zu Boden gleiten und robbte unter das Bett, eine Bewegung, die allein von den Muskeln seines durchtrainierten Oberkörpers dirigiert wurde und die er so geschmeidig wie eine russische Kunstturnerin vollführte. Sekunden später verschwand sein geschundener Körper in dem Schatten unter dem Bettgestell.
Auf dem Teppich unter dem Bett wimmelte es von heruntergefallenen Gegenständen. Es war eng. Klaustrophobisch. Extrem staubig.
Er stützte sich linkisch auf die Ellbogen, sah zum unteren Ende der Schlafzimmertür und konzentrierte sich verzweifelt auf den dunklen Spalt, der ihm unverwandt entgegenstarrte. Er fühlte sich allein – verzweifelt allein –, als wäre er allen Wissens und aller Erfahrungen verlustig gegangen.
Er balancierte die Waffe sorgfältig aus und strich mit der linken Hand über ihren metallenen Leib. Es war ein tröstliches Gefühl. Fast.
Er wartete. Horchte …
Der dunkle Schlitz unter der Tür wurde einen Hauch dunkler. Dann heller. Dann wieder dunkler.
Chris umklammerte den Revolver und zwang sich, ruhig zu atmen.
Er löste den Zeigefinger vom Bügel der Waffe und legte ihn um den Abzug. Mit dem Daumen spannte er den enormen Hahn und dämpfte das Geräusch mit der Handfläche. Er krümmte den Finger und übte minimalen Druck auf den Abzug aus. Er roch das Öl der Waffe und Schießpulver. Besser als jedes Parfüm. Vertrauenswürdiger als jedes menschliche Wesen, männlich oder weiblich.
Sekunden wurden zu Minuten. Staub drang ihm in Mund und Nase. Er musste niesen, verhinderte es jedoch allein durch Willenskraft. Ein einziges Niesen könnte eine Katastrophe auslösen. Seine Augen brannten, aber er blinzelte nicht. Blinzeln könnte tödlich sein. Gebannt behielt er die Tür im Auge. Sie bewegte sich. Bewegte sich nicht. Bildete er sich etwas ein? Halluzinierte er unter dem Bett? Waren die Nachwirkungen des Trips der vergangenen Nacht die Ursache für dies alles, trübten sie sein Bewusstsein, befeuerten seine Fantasie? Möglich.
Während die Minuten vergingen, überlegte er sich, ob er in seinem Versteck bleiben oder es mit möglicherweise schrecklichen Folgen verlassen sollte. Schließlich beschloss er, reglos zu verharren, um sich nicht ohne Not potenziellen Gefahren auszusetzen.
Die Tür ging auf. Fast unmerklich. Ziemlich geschickt.
Chris sah Schuhspitzen, wie auf heißen Kohlen, in seine Richtung kommen. Hush Puppies. Geschmacklos. Er wollte lachen. Die Hush Puppies waren mit Hundekacke verschmiert, als hätten sie sich selbst besudelt. Plötzlich kamen die verschissenen Hush Puppies direkt vor seinem Gesicht zum Stillstand. Der Gestank der Hundescheiße war unerträglich.
Plötzlich erhaschte Chris einen Blick auf den Lauf einer Schrotflinte. Er hörte sich selbst nicht mehr atmen.
Ominöserweise verschwand der Lauf plötzlich.
Unvermittelt ertönte ein gedämpfter Knall, worauf die Matratze zu Konfetti explodierte. Dem folgte blitzschnell ein zweiter Knall. Und noch einer. Insgesamt drei.
Leere Schrotpatronen fielen zu Boden und sprangen wie glühende Kohlen herum. Selbst in der beklemmenden Dunkelheit sah Chris den Rauch, der träge davon aufstieg.
Noch ein Knall.
Durch den Lärm der Schrotflinte spürte Chris enormen Druck auf den Ohren, wie in einem Flugzeug. Er hörte die Schüsse nicht mehr, spürte deren Vibration aber mit der freien Hand im Boden. Er wartete zwei weitere
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