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Die Bestien von Belfast

Die Bestien von Belfast

Titel: Die Bestien von Belfast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Millar
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reverteris.«
    »Bedenke, Mensch, du bist Erde und sollst zu Erde werden?«, sagte Karl und lächelte stolz.
    »Ihr Latein ist makellos.«
    »Neben Englisch – auch wenn ich schlecht in Rechtschreibung war – gehörte Latein zu meinen Lieblingsfächern in der Schule.« Dann kam ihm endlich die Erkenntnis. »Augenblick mal. Heute ist Aschermittwoch, nicht? Natürlich! Ich habe mich schon gefragt, warum Naomi mich gestern so mit Teekuchen gemästet hat. Und ich dachte, es läge daran, dass ich so unwiderstehlich bin.«
    »Sie sollten nicht über Erlösung oder Buße spotten, Mister Kane. Eines Tages klopfen die vielleicht auch an Ihre Tür.« Mundays Gesicht entspannte sich nur unmerklich. »Was haben Sie für mich?«
    Karl zog einen Umschlag aus der Schublade. Er schob ihn über den Tisch hinweg zu Munday. »Ich glaube, der gehört Ihnen«, sagte er.
    Ein Lächeln ließ Mundays Gesicht erstrahlen, um schlagartig zu verschwinden, als er den Umschlag öffnete.
    »Geld?«
    »Zählen Sie nach. Sie werden sehen, dass alles da ist.«
    »Warum?«
    »Vermutlich werde ich alt, aber ich glaube, eine Liste mit Mädchen, die anschaffen gehen, kann zu nichts Gutem führen. Ich hoffe, ich habe Sie nicht gekränkt, aber so sieht es aus.«
    »Ich dachte, ich kenne Sie, Kane. Offenbar habe ich mich geirrt.«
    »Da sind wir schon zwei. Ich dachte auch, ich kenne mich.«
    »Sind Sie ganz sicher? Angesichts ihrer prekären Lage ist das verdammt viel Geld, das Sie da ablehnen.«
    »Aber wohl auch verdammt viel Ärger, wenn ich es annehmen würde. So oder so, Sie gehen ein wenig reicher hier raus, als Sie reingekommen sind.«
    »Aber Sie sind ärmer«, sagte Munday und steckte den Umschlag ein.
    »Nein. Nicht im Geringsten. Guten Tag, Mister Munday. Es war … interessant.«
    Naomi wartete, bis Munday gegangen war, dann betrat sie das Büro.
    »Zufrieden?«, fragte Karl.
    Naomi lächelte. »Das wird sich zeigen. Ich habe das ›Mittagspause‹-Schild wieder aufgehängt und darauf geachtet, dass es diesmal auch hängen bleibt. Komm ins Bett …«

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    Kapitel  Achtzehn
    Mittwoch, 21 .Februar (Abend)
    »Die Seel’, in der sich Böses eingenistet, kennt fürderhin nichts Gutes mehr.« Sophokles,
Philoktet
    Der Feierabendverkehr in Belfast ließ gerade etwas nach und machte das Autofahren halbwegs erträglich, als William McCully mit seinem Mercedes zwei Straßen von der Odyssey Arena entfernt auf den Privatparkplatz fuhr. Die meisten, die in der Stadt arbeiteten, waren jetzt zu Hause, was Enklaven der Ruhe in den umliegenden Straßen schuf. In nicht einmal zwei Stunden würde der Wahnsinn wieder anfangen und Menschenmassen zurückströmen, um sich unterhalten zu lassen und den köstlichen Geschmack des Anrüchigen zu genießen: das bunte Nachtleben der Stadt und ihre dunkle, mit Drogen und Prostitution gewürzte Seite.
    Als er aus dem Auto stieg, leuchtete ein greller Reigen auf; die Straßenlaternen waren eingeschaltet worden, um das eindrucksvolle Hafenareal zu erhellen. Im Winter hatte diese abendliche Stunde etwas Magisches, fand McCully, während eine Kette weichen, goldenen Lichts in runden, dickbauchigen Lampen ihm den Weg zum Apartment wies.
    Das Zwei-Zimmer-Apartment befand sich zwar in bester Lage, stand aber dennoch seit unerklärlichen sechs Monaten zum Verkauf, und noch immer hatte niemand angebissen. Gegen die Gerüchte, dass zwei Straßen weiter ein Obdachlosenasyl gebaut werden sollte, halfen auch die Versicherungen von McCullys gut geschmierten Speichelleckern im Belfaster Stadtrat wenig, die die Baugenehmigung für das Asyl blockierten.
    Vor zehn Jahren wäre es undenkbar gewesen, ein solches Apartment zu einem derart exorbitanten Preis zu verkaufen. Die Gegend war so tot gewesen wie die Körper, die hin und wieder in dem öligen, verdreckten Wasser des übel riechenden Lagan trieben. Selbst die Ratten rümpften die Nase und verließen die Gegend in Scharen. Heute bestimmten Neubauten und öffentliche Räume das Bild, das einst von Verwahrlosung und Verfall bestimmt worden war; sie verliehen dem Viertel ein kosmopolitisches Flair und verströmten übertriebene Zuversicht in die ökonomische Zukunft der Stadt.
    McCully begutachtete das Apartment und vergewisserte sich, dass alles perfekt war für den Klienten, einen Mister Peter Stapleton, exzentrischer Millionär und Künstler.
    Es war fast sechs Uhr, und wie auf ein Stichwort hin gab die Klingel ihren leisen, melodischen Ton von sich.
    »Nimm es, nimm es, nimm

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