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Die Bestien von Belfast

Die Bestien von Belfast

Titel: Die Bestien von Belfast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Millar
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es …«, flüsterte McCully Sekunden, bevor er die Tür öffnete. »Mister Stapleton! Bitte, treten Sie doch ein.«
    Stapletons Sekretärin hatte ihm schon am Telefon von der Haphephobie des Künstlers berichtet, dennoch hätte ihm McCully um ein Haar die Hand zum Gruß gereicht.
    »Ist es hier immer so kalt?«, fragte Stapleton, der Handschuhe trug, und klopfte sich auf die Oberschenkel.
    Es ist gar nicht kalt
, dachte McCully ein wenig verblüfft.
Aber ich hätte trotzdem die Heizung aufdrehen müssen. Fehler Nummer eins.
    »Äh, dieser Winter hat Rekorde gebrochen«, antwortete McCully. »Normalerweise ist es nicht so kalt. Ich bitte um Entschuldigung, dass ich die Heizung nicht eingeschaltet habe, Mister Stapleton. Daran hätte ich denken müssen.«
    Stapleton machte eine wegwerfende Geste mit der umhüllten Hand. »Machen wir einen Rundgang? Und bitte, nicht so förmlich. Nennen Sie mich Peter.«
    »Ja … ja, natürlich … Peter.«
    McCully schritt durch die geräumige Diele, Stapleton folgte ihm in das großzügige Esszimmer mit seinem atemberaubenden Ausblick auf das Wasser.
    Zu McCullys Erleichterung wirkte Stapleton beeindruckt.
    »Reizende Aussicht auf die Albert Clock. Wie sich die Dinge doch verändern …«, bemerkte Stapleton, der zum Fenster hinaussah.
    »Wirklich ein schöner Blick«, sekundierte McCully.
    Der eindrucksvolle, unweit der Docks gelegene Turm der Albert Clock war einst von Prostituierten umlagert gewesen, die dort mit den eintreffenden Matrosen ihrem Gewerbe nachgingen. Heute konnten vergnügungssüchtige Besucher dort bestenfalls mit einem manisch-depressiven Clown oder einem mehr oder weniger begabten Jongleur auf Stelzen rechnen.
    »Wussten Sie, dass
Ausgestoßen
mit James Mason bei der Albert Clock spielt?«, fragte Stapleton.
    »Wirklich?«, antwortete McCully und hoffte, dass er sich interessiert genug anhörte. Er betrachtete den Turm fragend, als wäre der ein seltsames abstraktes Gemälde, das er interpretieren musste. »Nachts geht nichts über die beleuchtete Stadtkulisse, Peter. Unschlagbar. Ehrlich gesagt, hätte ich dieses Apartment fast für mich selbst gekauft. Mit dem Auto fünf Minuten zum Flughafen, zu Fuß fünf Minuten zum Bahnhof …« McCully spulte aalglatt seine Verkaufsfloskeln ab. Er spürte, dass es heute klappen würde.
    Dann ging schlagartig alles schief.
    Die Schmerzen waren derart unerträglich, dass McCully sich unwillkürlich zusammenkrümmte. Er roch den verbrannten Geruch seiner Haut; hörte sie brutzeln wie Speck in einer gut gefetteten Pfanne.
    Die Schmerzen. Oh, großer Gott, die Schmerzen …
    Jedes einzelne Molekül in seinem Körper explodierte.
    Dann folgte die barmherzige Dunkelheit, die jeden Schmerz vergessen ließ.

[zurück]
    Kapitel  Neunzehn
    Donnerstag, 22 .Februar (früher Morgen)
    »Es gibt ein Grauen, welches vermittels natürlicher Erscheinungen wie auch verbaler Schilderungen Einlass in das Denken zu finden vermag, und wiewohl es einem das Blut in den Adern gefrieren lassen und vorübergehend Angst erzeugen kann, ist es nicht unangenehm und mag mitunter gar wünschenswert sein.« James Beattie,
Dissertations Moral and Critical
    McCullys Leib regte sich ein wenig, als die schwarze Dunkelheit einem gelblichen Leuchten wich. Er nahm einen ätzenden Geruch war. Er rümpfte die Nase und schüttelte heftig den Kopf.
Riechsalz?
Die Wirkung war überwältigend.
    »William? Aufwachen, William.« Zwei harte Schläge, die sich wie Peitschenhiebe anfühlten, auf beide Wangen. »Komm zu dir, Schlafmütze. Auf, auf.« Zwei weitere Schläge.
    Seine Umgebung verschwamm und wurde unscharf. Jemand kniete über ihm und sah ihm direkt ins Gesicht. Die Züge der Person waren fließend wie flüssiges Gummi. Er kniff die Augen fest zu und öffnete sie wieder in der Hoffnung, sein Blick würde sich klären. Eine Frau? Sie sah aus wie ein Junkie, der dringend einen Schuss brauchte. Er wollte sich bewegen, doch seine Hände waren hinter dem Rücken gefesselt. Seine Knöchel ebenso.
    »Oh … mein Hals …« Die Schmerzen waren unerträglich. Sein Hals fühlte sich an, als würde jemand darauf stehen und ihn langsam zerquetschen.
    »Lass mich sehen«, ertönte eine Stimme.
    Er spürte ihre Finger an der wunden Stelle, wo sich die Haut lila verfärbt hatte. Als sie ihn dort kniff, zuckte er zusammen.
    »Oh, hat das wehgetan? Ist aber gar nicht schlimm. Sieht aus wie ein großer Knutschfleck. Damit kannst du bei deinen Freunden angeben. Du gibst

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