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Die Bestien von Belfast

Die Bestien von Belfast

Titel: Die Bestien von Belfast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Millar
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Abschiedsworte – zu
deinem
Abschied, William.«
    Draußen, ein Bombardement von Geräuschen: Ein Taxi hupte einem einsamen Passanten; das leise Donnern eines Zuges, der sich dem Hauptbahnhof von Belfast näherte, ließ den Boden des Apartments vibrieren; eine desorientierte Möwe schrie. Er war verloren. Für immer.
    »Nun mach schon. Du hast nie die Absicht gehabt, mich gehen zu lassen. Oder? Antworte, du verlogene Hure!«
    Sie sagte nichts, und mit diesem Schweigen sagte sie alles und schoss ihm in die Stelle, wo der Priester vor gerade mal zwölf Stunden seinen schmutzigen Daumenabdruck hinterlassen hatte.

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    Kapitel  Zwanzig
    Dienstag, 27 .Februar (Morgen)
    »Kurze Gebete, viele sprachen wir nicht, Und sprachen auch nicht von Sorgen; Doch mit stetem Blick in des Toten Gesicht, Dachten wir bitter an Morgen.« Charles Wolfe,
The Burial of Sir John Moore at Corunna
    Karl wusste aus Erfahrung, dass alle Beerdigungen ernste Angelegenheiten waren, doch diese gestaltete sich nicht nur minimalistisch, sondern auch extrem unschön: Ein gleichgültiger Priester leierte eine kurze, gleichgültige Predigt herunter, sechs Besucher standen zusammen, als zwei Pressefotografen ihre Fotos für die Abendausgabe machten. Karl bezweifelte, dass sich ein Mitglied von Chris’ Familie unter den Anwesenden befand. Vermutlich allesamt morbide Leichenfledderer, denen es nur darum ging, sich an einen Berühmt-Berüchtigten anzuhängen. Wenn man einen Menschen nach der Anzahl der Trauergäste bei seinem Begräbnis beurteilen wollte …
    Die plötzliche Erkenntnis, dass Vergebung ein gemeines Aas sein kann, wenn man sie in Zahlen ausdrückt, verdüsterte Karls niedergeschlagene Stimmung nur noch mehr.
    »Was für ein schreckliches Leben, du armer Kerl.«
    Selbst die lange Zeitspanne – über eine Woche –, bis die Behörden den Leichnam endlich zur Beerdigung freigaben, hatte für Karl einen Beigeschmack des Kleinkarierten, das ans Rachsüchtige grenzte.
Wir hatten nicht den Mumm, uns mit dir anzulegen, als du noch am Leben warst, Chris Brown, aber jetzt …
    Marty Harrington, Inhaber einer Kette von Bestattungsinstituten – Heavenly Harrington’s –, deren Filialen über die ganze Stadt verstreut waren, beobachtete seine Totengräber, wie sie den Sarg von Chris Brown in die Erde hinabließen. Er schien mit ihrer Arbeit zufrieden. Wenige Minuten später erteilte er nickend seine Zustimmung, das Grab zuzuschaufeln.
    Als er Karls klägliche Bemühungen bemerkte, im Hintergrund zu bleiben, kam er für Karls Geschmack ein wenig zu eifrig über den Rasen näher.
    »Kommst du morgen Abend zu dem Spiel, Karl?«, fragte sein Kartenspielgegner.
    »Hoffentlich. Mal abwarten, was passiert, bevor ich zusage.«
    »Ich wusste nicht, dass du und Chris Brown Freunde wart. Wusste nicht einmal, dass er überhaupt welche hatte«, fuhr Harrington fort. »Vor Tagen war er noch der große Zampano, und jetzt ist er nur noch Schnee von gestern. Kaum zu glauben, dass er mehr Menschen ermordet hat, als Trauergäste zu seiner Beerdigung gekommen sind – und zwei gehören noch zu meinem Personal und sind nur wegen der Medien da. Immerhin bekomme ich ein wenig Gratiswerbung. Was meinst du?«
    Vielleicht war Karl einfach nur angewidert, vielleicht deprimiert nach Chris Browns Beerdigung, jedenfalls ignorierte er den grinsenden Harrington und stapfte wütend und stumm davon. Er fühlte sich schuldig, als hätte seine Untätigkeit mit zu Chris’ Tod beigetragen, und plötzlich wurde ihm klar, dass das Leben Karl Kane heute besonders gründlich in Augenschein nehmen und ihn auf seinen Wert hin prüfen würde.
     
    Keine Stunde später und zwei Straßen entfernt von seinem anvisierten Ziel stieg Karl aus dem Auto und zog den Kragen seines Mantels zu, ein vergeblicher Versuch, zu verhindern, dass sich der eisige Wind wie eine kalte Schlinge um seinen Hals legte. Laubverwehungen überzogen die Straßen wie schlecht verheilter Schorf. Sie knirschten unter Karls Schuhen, ein Geräusch, das ihn an seine Kindheit erinnerte, als er mit seinem Vater im Park gespielt hatte.
    Er verdrängte den Gedanken hastig und zwängte sich durch ein windschiefes Tor, das in einen winzigen Garten vorm Haus neben dem von Chris führte.
    Er klingelte ein Mal, dann noch ein Mal, doch es tat sich nichts. Er klopfte an die Eingangstür. Keine Reaktion, obwohl er hörte, wie sich im Inneren jemand bewegte. Er spähte durch den Briefschlitz, was augenblicklich mit einem Heulen

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