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Die Bestien von Belfast

Die Bestien von Belfast

Titel: Die Bestien von Belfast Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Sam Millar
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Nichts, außer Andeutungen und Fragen ohne Antworten.
    Er verließ das Haus und ging stur geradeaus, ohne zu wissen, ob geradeaus die richtige Richtung war. Die Dunkelheit wich langsam dem ersten Morgenlicht. Der Geruch des Todes saß ihm in den Kleidern. Er war dankbar für den kalten, beißenden Wind, der ihm ins Gesicht blies.
    Nicht weit von seinem Auto entfernt betete er zu Gott, an den er nicht glaubte, dass der Wagen anspringen würde. Wenn das Auto am Tatort gefunden wurde, war er am Ende. Nicht, dass er nicht sowieso am Ende gewesen wäre.
    Er hielt den Atem an. Drehte den Schlüssel im Zündschloss. Zu seiner grenzenlosen Erleichterung sprang der Motor an. Die Reifen drehten sich eine Ewigkeit, doch dann fanden sie endlich Halt. Langsam fuhr er mit dem Wagen rückwärts, nach rechts, den Weg zurück, den er gekommen war.
    In der Ferne sah er die malerische Landschaft um Belfast Castle in der ersten Morgensonne leuchten. Er musste an Chris Brown denken, und da erst bemerkte er Jennys abgebrochene Fingernägel in seiner Hand.

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    Kapitel  Vierunddreißig
    Sonntag, 11 .März (Nachmittag)
    »Das Geheimnis, um die größte Fruchtbarkeit und den größten Genuss vom Dasein einzuernten, heißt: gefährlich leben!« Friedrich Nietzsche,
Die fröhliche Wissenschaft
    Karl schlug die Augen auf. Das Licht des Spätnachmittags, das zwischen den Lamellen der Jalousie hindurchfiel, brannte. Er hatte keine Ahnung, wie spät es war, und es kümmerte ihn nicht. Er steckte noch immer in der vergangenen Nacht und versuchte verzweifelt, die Geschehnisse zu rekonstruieren.
    Sein ganzer Körper war ein einziger Schmerz, und eine Migräne fraß sich durch das Innere seines Schädels. Er spürte, wie sie von Minute zu Minute schlimmer wurde. Seine Glieder fühlten sich taub an.
    Er rieb sich ein Auge mit der geballten Faust, trottete unsicher ins Bad und schaffte es gerade noch rechtzeitig, ehe er in die Toilette kotzte. Es kam kaum etwas Festes heraus, nur der saure Rest des Alkohols, den er in den frühen Morgenstunden fast gewaltsam in sich hineingeschüttet hatte.
    Er würgte noch zweimal, dann rappelte er sich hoch. Das kreisende Zimmer kam langsam zum Stillstand.
    Er sah in den Badezimmerspiegel und betrachtete das Gesicht, das ihm entgegenblickte.
    Scheiße … wer zum Teufel ist das?
    »Karl? Alles in Ordnung?«, fragte Naomi, die plötzlich an der Badezimmertür stand und ihn erschreckte.
    »Alles bestens«, antwortete er und schenkte ihr ein geheucheltes Lächeln. »Ein Kaffee, und ich bin wieder fit wie ein Turnschuh.« Er spritzte sich kaltes Wasser ins Gesicht, zuckte dabei zusammen und kehrte ins Schlafzimmer zurück, wo er sich in seine Hose manövrierte.
    »Du hast ziemlich unruhig geschlafen. Hast ständig von Hunden und Waffen gemurmelt«, sagte Naomi, die ihm folgte.
    Ein Schlachthaus blutiger Erinnerungen hatte Karl fast die ganze Nacht lang wachgehalten. Jedes Mal, wenn er die Augen schloss, sah ihn die blutüberströmte Jenny Lewis vorwurfsvoll an.
Du hast sie zu mir geführt, zu meiner Mutter … Gott verfluche dich, Karl Kane …
    »Schmerzmittel und Brandy sind kein besonders guter Schlummertrunk, aber eine Tasse heißer Kaffee ein prima Gegenmittel, Naomi. Achtung, Zaunpfahl!«
    »Ich kann immer noch nicht glauben, dass du nach deinem Unfall gestern Nacht tatsächlich ins Krankenhaus gegangen bist, so stur, wie du bist«, fuhr Naomi fort und schenkte der Bitte gemeinerweise keine Beachtung. »Mir kommen diese Stiche allerdings nicht sehr professionell vor.«
    Karl glaubte, einen misstrauischen Unterton in Naomis Stimme zu hören.
    »Irgendeine junge Schwester. Nervöses kleines Ding. Kann ihr keinen Vorwurf machen. Sie war wie versteinert, als sie mich so blutüberströmt gesehen hat. Ihre Hände haben die ganze Zeit gezittert.« Karl versuchte ein Lächeln, aber es tat zu weh.
    »Gott sei Dank warst du angeschnallt. Ich will gar nicht daran denken, was …«
    Er wusste, Naomi war zutiefst erschüttert gewesen, als sie sah, in welchem Zustand er gestern Nacht nach Hause gekommen war, doch er durfte nicht zulassen, dass sie noch tiefer in diesen Schlamassel hineingezogen wurde. Je weniger sie wusste, desto besser für sie.
    »Ich glaube, ein wenig von deiner Vernunft färbt doch so langsam auf meinen Dickschädel ab. Der Gurt hat das Schlimmste verhindert.«
    Naomi strich Karl zärtlich über den Kopf und gab ihm einen Kuss auf die Wange. »Geh doch wieder ins Bett. Ich bring dir eine

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