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Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2

Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2

Titel: Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2 Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Veronica Roth
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und blitzschnell täuscht er einen Hustenanfall vor.
    » Nachäffen ist kindisch, Beatrice«, sagt sie. » Das steht dir nicht.«
    » Nachäffen ist kindisch, Beatrice.« Ich mache ihre Stimme nach, so gut ich kann. » Das steht dir nicht.«
    » Das Serum«, sagt Jeanine und sieht Peter auffordernd an. Er tritt vor und macht sich an einer schwarzen Schachtel zu schaffen, die auf dem Tisch liegt. Er nimmt eine Spritze heraus, an der schon eine Nadel steckt.
    Peter kommt auf mich zu und ich strecke die Hand aus.
    » Wenn du nichts dagegen hast«, sage ich.
    Er blickt Jeanine an, um ihr Einverständnis abzuwarten. » Meinetwegen.« Er gibt mir die Spritze und ich steche die Nadel seitlich in meinen Hals und drücke dabei den Kolben herunter. Jeanine tippt mit dem Finger auf einen der vielen Knöpfe und alles wird dunkel.
    Meine Mutter steht im Mittelgang und hat den Arm ausgestreckt, damit sie sich oben an der Haltestange festhalten kann. Ihre Aufmerksamkeit gilt nicht den Menschen um sie herum, sondern der Stadt, durch die der Bus langsam fährt. Als sie die Stirn runzelt, hat sie tiefe Falten, auch um die Mundwinkel.
    » Was ist los?«, frage ich sie.
    » Es gibt so viel zu tun«, seufzt sie und zeigt aus den Busfenstern. » Und so wenige von uns sind übrig geblieben, um die Arbeit zu erledigen.«
    Es ist klar, was sie meint. Draußen erstreckt sich Schutt, so weit das Auge reicht. Auf der anderen Straßenseite ist ein ganzes Gebäude eingestürzt.
    Sie lächelt mich an und jetzt hat sie kleine Fältchen um die Augenwinkel. » Wir fahren zum Hauptquartier der Ken.«
    Die Antwort gefällt mir nicht. Den größten Teil meines Lebens habe ich einen großen Bogen um dieses Hauptquartier gemacht. Mein Vater meinte immer, dass er nicht einmal die Luft in diesem Haus einatmen möchte. » Warum gehen wir da hin?«
    » Dort werden sie uns helfen.«
    Wieso spüre ich einen Knoten im Magen, wenn ich an meinen Vater denke? Ich stelle mir sein Gesicht vor, in dem ein ganzes Leben voller Enttäuschungen seine Spuren hinterlassen hat, und sein Haar, das, wie bei den Altruan üblich, kurz geschnitten ist, und ich verspüre einen Druck im Magen, als ob ich viel zu lange nichts gegessen habe– einen nagenden Schmerz.
    » Ist Dad irgendetwas zugestoßen?«, frage ich.
    Sie schüttelt den Kopf. » Weshalb fragst du das?«
    » Ich weiß es nicht.«
    Wenn ich meine Mutter ansehe, spüre ich keinen solchen nagenden Schmerz. Aber ich habe das Gefühl, dass ich mir jeden Augenblick, in dem sie so dicht neben mir steht, einprägen muss, bis mein ganzes Gedächtnis von dieser Gestalt ausgefüllt ist. Aber wenn sie nicht leibhaftig da ist, was ist sie dann?
    Der Bus bleibt stehen und die Türen öffnen sich quietschend. Meine Mutter geht den Gang entlang und ich folge ihr. Sie ist größer als ich, meine Augen sind auf ihre Schultern gerichtet, auf ihren Nacken. Sie wirkt zerbrechlich, aber sie ist es nicht.
    Ich betrete den Gehweg. Glassplitter knirschen unter meinen Schritten. Sie sind blau, und den Löchern in den Gebäuden zu meiner Linken nach zu urteilen, waren es einmal Fenster.
    » Was ist passiert?«
    » Es ist Krieg«, sagt meine Mutter. » Das wollten wir um jeden Preis vermeiden.«
    » Und die Ken sollen uns helfen… aber wie denn?«
    » Ich fürchte, die Schimpftiraden deines Vaters gegen die Ken haben dich verstört«, sagt sie freundlich. » Sie haben Fehler gemacht, natürlich, aber wie überall gibt es auch unter ihnen Gute und Böse und nicht nur die einen oder die anderen. Was sollten wir anfangen ohne unsere Ärzte, unsere Wissenschaftler, unsere Lehrer?«
    Sie streicht mir übers Haar.
    » Vergiss das nie, Beatrice.«
    » Das werde ich nicht«, verspreche ich ihr.
    Wir gehen weiter. Aber etwas an ihren Worten stört mich. Ist es das, was sie über meinen Vater gesagt hat? Nein– mein Vater beschwert sich ständig über die Ken. Oder ist es das, was sie über die Ken gesagt hat? Ich springe über eine große Glasscherbe. Nein, das ist es auch nicht. Alle meine Lehrer waren Ken, und auch der Arzt, der sich um den Arm meiner Mutter kümmerte, als sie ihn vor ein paar Jahren gebrochen hatte.
    Es ist der letzte Satz, der mich stört. » Vergiss das nie.« Als hätte sie später keine Gelegenheit mehr, mich daran zu erinnern.
    Ich spüre, wie sich in meinen Gedanken etwas verändert, wie etwas, das bisher verschlossen war, sich öffnet.
    » Mom?«, frage ich.
    Sie dreht sich nach mir um. Eine blonde Locke löst sich aus ihrem

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