Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2
Peter erstarrt, Blut schießt in sein Gesicht.
» Halt in meiner Gegenwart besser die Klappe«, sagt Edward leise, » oder ich ziehe das hier noch mal durch, nur dass ich dann die Gabel glatt durch deine Speiseröhre bohre.«
» Das reicht«, sagt Evelyn. Edward lässt die Gabel sinken und gibt Peter frei. Dann dreht er sich um und setzt sich neben denjenigen, der ihn kurz zuvor Eddie genannt hat.
» Ich weiß nicht, ob du es schon mitbekommen hast«, sagt Tobias zu mir, » aber Edward hat zur Zeit leichte Stimmungsschwankungen.«
» Was du nicht sagst«, erwidere ich.
» Dieser Drew … der Typ, der Peter bei der Aktion mit dem Buttermesser geholfen hat«, sagt Tobias. » Offenbar hat er versucht, sich Edwards Truppe bei den Fraktionslosen anzuschließen, nachdem er von den Ferox rausgeschmissen wurde. Vielleicht ist dir schon aufgefallen, dass er hier nirgends zu sehen ist.«
» Hat Edward ihn umgebracht?«
» Beinahe«, sagt Tobias. » Anscheinend war das auch der Grund, weshalb die andere Fraktionswechslerin– Myra hieß sie, weißt du noch?– weshalb sie mit Edward Schluss gemacht hat. Sie war zu zart besaitet, um das zu verkraften.«
Ein dumpfes Gefühl breitet sich in mir aus, als ich mir Drew vorstelle, mehr tot als lebendig, nachdem Edward ihn fertiggemacht hat. Drew war einer von denen, die mich damals attackiert haben.
» Ich möchte eigentlich nicht über dieses Thema sprechen«, wehre ich ab.
» Okay«, erwidert Tobias. Er berührt meine Schulter. » Ist es schwer für dich, wieder in einem Altruan-Haus zu sein? Ich wollte dich das eigentlich schon früher fragen. Falls ja, können wir auch woandershin gehen.«
Ich schlucke den letzten Bissen meiner zweiten Scheibe Brot herunter. Alle Häuser der Altruan sind baugleich, also gleicht dieses Wohnzimmer unserem Wohnzimmer aufs Haar. Bei genauerem Hinsehen beschwört es auch wirklich Erinnerungen herauf. Das Licht, wie es jeden Morgen durch die Fensterläden hereinfällt, gerade hell genug zum Lesen für meinen Vater. Das abendliche Klappern der Stricknadeln meiner Mutter. Aber wenigstens überkommt mich nicht gleich wieder das beklemmende Gefühl. Immerhin ein Anfang.
» Ja«, sage ich. » Aber es ist nicht so schlimm wie du denkst.«
Er zieht eine Braue hoch.
» Ganz ehrlich. Was das angeht, waren die Simulationen im Hauptquartier der Ken irgendwie nützlich. Sie haben mir geholfen, die Erinnerungen festzuhalten.« Ich runzle die Stirn. » Oder vielleicht auch nicht. Vielleicht haben sie mir sogar geholfen, mich nicht mehr so sehr an die Erinnerungen zu klammern.« Das hört sich besser an. » Eines Tages kann ich dir davon erzählen.« Meine Stimme klingt seltsam fern.
Er berührt meine Wange und küsst mich behutsam, obwohl wir in einem Raum voller Menschen, Gelächter und Gespräche sind.
» Wow, Tobias«, sagt der Mann links von mir. » Bist du nicht als Stiff erzogen worden? Ich dachte, bei euch ist Händchen halten das höchste der Gefühle.«
» Ach ja, und woher kommen dann all die Altruan-Kinder?« Tobias zieht fragend die Brauen hoch.
» Sie werden durch reine Willenskraft auf die Welt gebracht«, wirft die Frau auf der Stuhllehne ein. » Wusstest du das etwa nicht, Tobias?«
» Nein, das war mir nicht klar.« Er grinst. » Tut mir schrecklich leid.«
Sie lachen. Wir lachen. Und mir kommt der Gedanke, dass ich vielleicht gerade Tobias’ wahrer Fraktion begegnet bin. Sie alle haben keine eindeutigen Eigenschaften. Sie beanspruchen sämtliche Farben, Lebensformen, Vorzüge und Schwachstellen für sich.
Ich kann nicht erkennen, was sie verbindet. Soweit ich weiß, ist ihre einzige Gemeinsamkeit ihr Scheitern. Aber das scheint zu genügen.
Während ich ihn betrachte, beschleicht mich das Gefühl, dass ich ihn zum ersten Mal so sehe, wie er wirklich ist, anstatt ihn nur so zu sehen, wie er sich mir gegenüber gibt. Wie gut kenne ich ihn wirklich, wenn mir das bis jetzt entgangen ist?
Die Sonne geht allmählich unter, aber das Viertel der Altruan ist alles andere als ruhig. Die Ferox und die Fraktionslosen ziehen durch die Straßen, manche mit Flaschen, andere mit Pistolen in ihren Händen.
Ein paar Schritte vor mir schiebt Zeke Shauna im Rollstuhl am Haus von Alice Brewster vorbei, die zu den Anführern der Altruan gehört hat. Die beiden haben mich nicht bemerkt.
» Mach das noch mal!«, sagt sie.
» Bist du dir sicher?«
» Ja!«
» Okay!« Zeke rennt los. Dann, als ich ihn schon fast aus den Augen verloren habe,
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