Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2
Wir haben jetzt keine Zeit«, sagt Tobias scharf. » Lauf zurück und hol einen Arzt.«
Aber Uriah kann den Blick nicht von Shauna losreißen.
» Uriah! Lauf! Sofort!« Der Ruf hallt über die verlassene Straße, wo nichts ist, was ihn dämpfen könnte. Da endlich dreht sich Uriah um und rennt los.
Wir haben nur noch ein paar Hundert Meter vor uns, aber wenn ich Tobias’ Keuchen und Lynns abgehackte Atemzüge höre und daran denke, dass Shauna jeden Moment verblutet, kommt mir der Weg endlos vor.
Ich sehe, wie sich Tobias’ Rückenmuskeln bei jedem angestrengten Atemzug zusammenziehen und wieder entspannen. Unsere Schritte höre ich nicht, ich höre überhaupt nur meinen Herzschlag. Als wir schließlich die Tür erreicht haben, bin ich nahe daran, in Ohnmacht zu fallen, mich zu übergeben oder wie eine Irre loszuschreien.
Uriah, Cara und ein Ken mit Halbglatze warten gleich hinter dem Eingang auf uns. Sie breiten eine Decke für Shauna aus. Tobias legt sie darauf ab. Der Arzt macht sich sofort an die Arbeit und schneidet das T-Shirt am Rücken auf. Ich drehe mich weg, ich will die Schusswunde nicht sehen.
Tobias steht direkt vor mir, er ist von der Anstrengung noch ganz rot im Gesicht. Ich wünsche mir, dass er mich wieder fest in seine Arme schließt, wie er es nach dem letzten Angriff getan hat, aber er macht keinerlei Anstalten, und ich werde sicher nicht den Anfang machen.
» Ich will nicht so tun, als wüsste ich, was in dir vorgeht«, sagt er. » Aber wenn du dein Leben noch einmal dermaßen sinnlos aufs Spiel setzt –«
» Ich setze mein Leben nicht sinnlos aufs Spiel. Ich versuche, Opfer zu bringen, wie es meine Eltern auch getan hätten, wie –«
» Du bist nicht wie deine Eltern. Du bist ein sechzehnjähriges Mädchen –«
» Wie kannst du es wagen…«, presse ich zwischen zusammengebissenen Zähnen hervor.
» …das nicht kapiert, dass der Sinn eines Opfers darin besteht, dass es notwendig ist, und nicht, dass man sein Leben einfach so aufs Spiel setzt! Wenn du noch einmal so etwas tust, will ich nichts mehr von dir wissen.«
Er erwischt mich völlig kalt, damit habe ich nicht gerechnet.
» Du stellst mir ein Ultimatum?« Ich bemühe mich, leise zu sprechen, damit die anderen nichts mitbekommen.
Er schüttelt den Kopf. » Nein. Ich rede von einer Tatsache.« Seine Lippen sind nur noch ein schmaler Strich. » Wenn du dich völlig grundlos und kopfüber in irgendwelche Gefahren stürzt, dann bist du auch nicht besser als einer von diesen Adrenalin-Junkies auf der Suche nach dem nächsten Kick, von denen es bei den Ferox schon genug gibt. Und dann werde ich dir sicher nicht bei deinen sinnlosen Aktionen helfen.« Er spuckt die Worte voller Verbitterung aus. » Ich liebe die Tris, die eine Unbestimmte ist, die ihre Entscheidungen unabhängig von ihrer Fraktion trifft. Die eine der wenigen ist, die sich nicht blind den Glaubenssätzen ihrer Fraktion unterordnet. Aber die Tris, die mit aller Kraft versucht, sich selbst zu zerstören… die kann ich nicht lieben.«
Ich möchte laut schreien. Aber nicht, weil ich wütend bin, sondern weil ich fürchte, dass er recht hat. Meine Hände zittern und ich kralle sie in den Saum meines T-Shirts, um sie ruhig zu halten.
Er drückt seine Stirn an meine und schließt die Augen. » Ich glaube, du bist immer noch da«, murmelt er ganz dicht an meinem Mund. » Komm zurück.«
Er küsst mich flüchtig, und ich bin viel zu geschockt, um mich zu wehren.
Dann geht er wieder zu Shauna und ich bleibe ratlos stehen, direkt auf einer der Waagschalen der Candor in der Eingangshalle.
» Lange nicht mehr gesehen.«
Ich lasse mich auf die Pritsche gegenüber von Tori fallen. Sie sitzt aufrecht in ihrem Bett und hat die Beine auf einen Stapel Kissen gelegt.
» Ja, stimmt«, sage ich. » Wie geht’s dir?«
» Ich fühle mich, als hätte ich eine Kugel abgekriegt.« Ein Lächeln umspielt ihre Lippen. » Das Gefühl dürfte dir nicht ganz unbekannt sein, oder?«
» Ja. Fühlt sich toll an, nicht?« Ich kann an nichts anderes als an die Kugel in Shaunas Rücken denken. Wenigstens werden Tori und ich uns von unseren Verletzungen wieder erholen.
» Hast du bei dem Treffen mit Jack irgendetwas Interessantes erfahren?«, fragt sie.
» Ein paar Dinge. Hast du eine Ahnung, wie wir die Ferox zu einem Treffen zusammentrommeln könnten?«
» Lass mich das machen. Das ist das Gute, wenn man in einem Tattoo-Studio bei den Ferox arbeitet– man kennt so ziemlich
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