Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2
jeden.«
» Stimmt«, sage ich. » Außerdem hast du ja den Ruf, eine Spionin gewesen zu sein.«
Toris Mund zuckt. » Das hätte ich fast vergessen.«
» Hast du eigentlich etwas Interessantes herausgefunden? Als Spionin, meine ich.«
» Meine Mission hat sich ganz auf Jeanine Matthews konzentriert.« Sie betrachtet ihre Hände. » Ich habe beobachtet, was sie so macht, wie sie ihren Tag verbringt. Und was noch wichtiger ist, wo sie ihn verbringt.«
» Demnach also nicht in ihrem Büro?«
Tori lässt sich mit der Antwort Zeit.
» Ich nehme an, ich kann dir vertrauen, Unbestimmte.« Sie mustert mich von der Seite. » Im obersten Stockwerk hat sie ein privates Labor. Es ist mit den abartigsten Sicherheitsmaßnahmen von der Außenwelt abgeschirmt. Ich war gerade dabei, mich nach dorthin hochzuarbeiten, als sie mich erwischt haben.«
» Du wolltest da rein?«, frage ich. Sie weicht meinem Blick aus. » Nicht nur, um zu spionieren, vermute ich.«
» Ich dachte… es wäre für uns alle von Nutzen, wenn Jeanine nicht mehr allzu lange leben würde.«
In ihren Augen glimmt ein Hunger, genau wie damals im Hinterzimmer des Tattoo-Studios, als sie mir von ihrem Bruder erzählte. Vor dem Simulationsangriff hätte ich es für den Durst nach Gerechtigkeit gehalten, vielleicht auch für Rachedurst, aber jetzt weiß ich, was es ist: Blutdurst. Es entsetzt mich, aber gleichzeitig kann ich sie auch verstehen.
Was mich eigentlich umso mehr entsetzen müsste.
» Ich werde die Sache in die Hand nehmen und ein Treffen organisieren«, versichert sie mir.
Die Ferox haben sich versammelt, sie stehen zwischen den Reihen der Etagenbetten und den Türen, die mit einem straff gespannten Betttuch verschlossen sind, denn ein besserer Riegel ließ sich auf die Schnelle nicht auftreiben. Ich zweifle keine Sekunde daran, dass Jack Kang auf Jeanines Forderungen eingehen wird. Wir sind hier nicht mehr sicher.
» Welche Bedingungen hat sie genannt?«, fragt Tori. Sie sitzt zwischen ein paar Matratzen auf einem Stuhl und streckt ihr verletztes Bein aus. Ihre Frage war eigentlich an Tobias gerichtet, aber der scheint ihr überhaupt nicht zuzuhören. Er lehnt an einem Bettrahmen und starrt mit verschränkten Armen auf den Boden.
Ich räuspere mich. » Es waren drei Bedingungen. Eric muss den Ken übergeben werden. Außerdem wollen sie die Namen derjenigen, die beim letzten Angriff keine Injektion abgekriegt haben. Und schließlich sollen die Unbestimmten an das Hauptquartier der Ken ausgeliefert werden.«
Ich sehe Marlene an. Sie erwidert meinen Blick und lächelt traurig. Bestimmt macht sie sich Sorgen um Shauna, die immer noch vom Arzt versorgt wird. Lynn, Hector, ihre Eltern und Zeke sind bei ihr.
» Wenn Jack Kang ein Abkommen mit den Ken aushandelt, dann können wir nicht länger hier bleiben«, sagt Tori. » Aber wohin sollen wir gehen?«
Ich muss an Shaunas blutgetränktes Shirt denken und sehne mich nach den Obstplantagen der Amite, nach dem Rascheln des Windes in den Blättern, der Baumrinde unter meinen Händen. Ich hätte nie gedacht, dass ich mich jemals nach diesem Ort zurücksehnen würde. Ich hätte nie geglaubt, dass dieser Ort sich so fest in meinem Inneren verankern könnte.
Ich schließe kurz die Augen, und als ich sie öffne, befinde ich mich wieder mitten in der Wirklichkeit und das Leben bei den Amite ist ferner als jeder Traum.
» Nach Hause«, sagt Tobias und hebt endlich den Kopf. Alle horchen auf. » Wir sollten uns das, was uns gehört, wieder holen. Wir werden die Überwachungskameras im Hauptquartier der Ferox zerstören, damit die Ken uns nicht ausspionieren können. Wir sollten einfach nach Hause gehen.«
Jemand stimmt ihm lautstark zu, ein anderer fällt in das Gejohle ein. So werden bei den Ferox Entscheidungen getroffen, mit einem Kopfnicken und lautem Geschrei. In solchen Augenblicken sind wir keine einzelnen Wesen mehr. Wir alle gehören zu einem einzigen großen Organismus, haben einen einzigen Willen.
» Aber bevor wir das machen«, sagt Bud, der früher zusammen mit Tori im Tattoo-Studio gearbeitet hat und der nun, den Arm auf die Stuhllehne gestützt, direkt hinter ihr steht, » müssen wir entscheiden, was wir mit Eric anfangen. Sollen wir ihn hierlassen, damit er zu den Ken zurückgeschickt wird, oder sollen wir ihn exekutieren?«
» Eric ist ein Ferox«, sagt Lauren und dreht mit ihren Fingerspitzen das Piercing in ihrer Lippe. » Das heißt, wir entscheiden, was mit ihm geschieht, nicht die
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