Die Bestimmung - Toedliche Wahrheit - Band 2
Hier bist du nicht mehr sicher.«
Sie lässt mich los, beinahe schubst sie mich fort.
Der Boden unter meinen Turnschuhen ist glitschig, und mein Sack mit den Kleidern klatscht gegen meinen Rücken, als ich in einen langsamen Trab verfalle. Der Regen fällt auf meinen Kopf, auf meinen Rücken. Meine Füße platschendurch Pfützen und die Nässe durchweicht meine Hosenbeine.
Ich rieche feuchten Asphalt und rede mir ein, dass dies alles ist.
Ich stehe am Geländer und schaue über den Abgrund. Wasser prasselt gegen die Felswand unter mir, aber es spritzt nicht hoch genug, um meine Schuhe nass zu machen.
Etwa hundert Meter weiter ist Bud gerade dabei, Paintball-Gewehre zu verteilen, jemand anders teilt die Farbpatronen aus. Gleich werden die verborgenen Winkel im Hauptquartier der Ferox mit bunten Farbklecksen gesprenkelt sein und die Überwachungskameras lahmlegen.
» Hey, Tris«, sagt Zeke und stellt sich zu mir an das Geländer. Seine Augen sind rot und geschwollen, aber sein Mund verzieht sich zu einem winzigen Lächeln.
» Hey. Du hast es geschafft.«
» Ja. Wir haben gewartet, bis Shauna sich so weit erholt hatte, dass wir sie hierher bringen konnten.« Er fährt sich mit dem Daumen übers Auge. » Ich wollte nicht, dass man sie transportiert, aber… bei den Candor wäre sie nicht mehr in Sicherheit gewesen.«
» Wie geht es ihr?«
» Weiß nicht. Sie wird es überleben, aber die Krankenschwester meint, dass sie vielleicht von der Hüfte abwärts gelähmt bleiben wird. Das allein wäre gar nicht das Schlimmste, aber…« Er zieht die Schultern hoch. » Wie kann sie eine Ferox sein, wenn sie nicht mehr laufen kann?«
Ich beobachte, wie einige Kinder direkt am Abgrund den Pfad hinauf und wieder hinunter jagen und Farbbeutel an die Felswände werfen. Einer davon zerplatzt und besprüht den Stein mit gelben Farbklecksen.
Ich muss daran denken, was Tobias mir gesagt hat, als wir die Nacht bei den Fraktionslosen verbracht haben; dass die älteren Ferox die Fraktion verlassen, weil sie körperlich nicht mehr in der Lage sind, dort zu bleiben. Und ich muss an den Abzählvers der Candor denken, in dem sie uns als die grausamste Fraktion bezeichnen.
» Sie kann es«, sage ich.
» Tris, sie wird sich nicht mehr von einem Fleck zum anderen bewegen können.«
» Das wird sie bestimmt.« Ich sehe ihn an. » Sie bekommt einen Rollstuhl und jemand kann sie auf den Wegen in der Grube schieben und im Gebäude ist ein Aufzug.« Ich zeige nach oben. » Sie muss nicht laufen können, um an einer Reißleine hinabzurutschen oder eine Waffe abzufeuern.«
» Sie wird nicht wollen, dass ich sie schiebe.« Ihm versagt fast die Stimme. » Sie wird nicht wollen, dass ich sie hochhebe, dass ich sie trage.«
» Sie muss damit fertigwerden. Willst du, dass sie aus einem so lächerlichen Grund die Ferox verlässt? Nur weil sie nicht laufen kann?«
Zeke schweigt eine Weile. Er lässt seinen Blick über mein Gesicht wandern, dann kneift er die Augen zusammen und mustert mich.
Schließlich dreht er sich zu mir, beugt sich herunter und umarmt mich. Es ist so lange her, dass mich jemand in den Arm genommen hat, dass ich erstarre. Dann entspanne ich mich, lasse zu, dass seine Berührung meinen Körper wärmt, der von den klammen Kleidern ausgekühlt ist.
» Ich schieße ein paar Runden«, sagt er und lässt mich los. » Kommst du mit?«
Ich zucke die Schultern, aber dann jage ich ihn quer durch die Grube. Bud gibt uns beiden Gewehre und ich lade meines. Das Gewicht, die Form und das Material sind so ganz anders als bei einer Pistole, dass es mir nichts ausmacht, es in die Hand zu nehmen.
» Die Grube und die unteren Ebenen haben wir größtenteils schon abgesucht. Nehmt euch die Pyramide vor.«
» Die Pyramide?«
Bud zeigt auf die Glaskonstruktion über unseren Köpfen. Der Anblick durchbohrt mich wie ein Nadelstich. Als ich das letzte Mal von dieser Stelle aus hinaufgesehen habe, bin ich losgezogen, um die Simulation zu beenden. Und mein Vater war bei mir.
Zeke läuft schon den Grubenpfad hinauf. Ich zwinge mich, ihm zu folgen, setze mechanisch einen Fuß vor den anderen. Es fällt mir schwer zu gehen, ich habe Schwierigkeiten beim Atmen, aber irgendwie schaffe ich es doch. Als ich bei den Stufen angekommen bin, ist der Druck auf meiner Brust beinahe weg.
Sobald wir in der Glaspyramide sind, zielt Zeke auf eine der Kameras nahe der Decke. Er drückt ab und grüne Farbe rinnt über ein Fenster. Er hat die Kamera nicht
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