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Die Betäubung: Roman (German Edition)

Die Betäubung: Roman (German Edition)

Titel: Die Betäubung: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anna Enquist
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Allard legt die Hand auf ihren Rücken und scheint sie den anderen vorzustellen. Roos strahlt.
    Jetzt sagt sie gleich, dass sie kurz zu ihren Eltern muss, denkt Suzan. Jetzt kommt sie zu uns herüber. Kommt Allard mit? Ihr stockt das Herz. Sie fühlt, dass ihr schwindlig wird, gleich wird ihr schwarz vor Augen, nein, bitte nicht, bleib wach, bleib aufmerksam.
    Roos kommt allein. Peter umarmt sie, und alle reden durcheinander über den Riesenerfolg des Orchesters. Drik ist nicht da. In dem Moment, als Roos nach ihm fragt, taucht er mit Mänteln über dem Arm auf.
    »Du warst ein Genuss«, sagt er zu Roos. »Und ich habe dich bewundert. Ein toller Abend. Jetzt bringe ich Leida nach Hause, es ist zu anstrengend für sie.«
    »Was redest du denn«, sagt Leida, »ich habe noch nicht mal meinen Wein ausgetrunken.«
    Drik insistiert und legt ihr den schweren Mantel um die Schultern. Im Nu sind sie verschwunden.
    »Der ist aber schnell weg«, sagt Roos enttäuscht. »Gefällt es ihm hier nicht?« Sie schaut von Suzan zu Peter und zurück.
    »Ich möchte euch mit einem Freund bekannt machen. Kommt ihr mal mit?«
    Peter macht Anstalten mitzugehen, aber Suzan bleibt sitzen.
    »Jetzt nicht, Roos, ich möchte auch nach Hause. Muss morgen so früh raus.«
    »Mama hat Bauchschmerzen«, sagt Peter. »Wir gehen jetzt besser. Vielleicht kannst du ihn uns ein anderes Mal vorstellen?«
    »Oh. Na gut. Ich bleibe noch. Schön, dass ihr da wart.«
    Sie verabschiedet sich und hüpft zu Allard hinüber. Der schlaffe Biertrinker palavert mit einer Gruppe Orchestermitglieder, sie lachen, es schallt durch den Raum. Roos zwängt sich dazwischen, bis sie dicht neben Allard steht. Wink bitte nicht, denkt Suzan, dann gucken sich die Leute um, wem du winkst. Mit fünf Schritten sind Peter und Suzan draußen.
    »Ich habe Kronenburg dazugeholt, er soll sich brenzlige Situationen ausdenken«, sagt Bram Veenstra. »Macht er. Aber ihn so weit zu bekommen, dass er sie dann auch vorführt, erfordert schon noch einiges. Man kann ihn am besten einen arroganten Chirurgen spielen lassen. Aber im Grunde hält er überhaupt nichts von den Simulationen. Da hat mir Vereycken vielleicht was aufgehalst.«
    Suzan zuckt die Achseln. »Das ist doch eine gute Übung, oder? Du wirst bestimmt häufiger mit Quertreibern konfrontiert sein, wenn du das Training ausweitest. Wie geht es deinem Kleinen?«
    Sie sitzen nach einer unschönen Brustamputation bei einem Teller Suppe. Als Bram den Mund öffnet, um zu antworten, klingelt Suzans Handy. Drik, wie sie sieht. Annehmen? Muss sie wohl.
    »Sie haben gerade aus dem Altenheim angerufen, sie konnten dich nicht erreichen. Vater geht es schlecht. Er ist plötzlich sehr unruhig und aggressiv. Der Arzt war nicht da, diese Pflegemanagerin hat angerufen.«
    »Wie ist sein körperlicher Zustand?«
    »Mies, soweit diese Frau überhaupt Auskunft darüber geben konnte. Ich habe kein gutes Gefühl, ich fahre hin. Habe den letzten drei Patienten heute abgesagt. Kannst du mitkommen?«
    »Ich habe noch eine Operation auf dem Programm. Ich versuch es, warte mal kurz.«
    Bram will und kann. Das sind Kollegen, denkt Suzan, fabelhaft.
    »Drik? Bram Veenstra vertritt mich. Holst du mich ab?«
    »In einer Viertelstunde am Eingang.«
    Im Umkleideraum wirft sie ihre OP-Kleidung in den Waschkorb. Sie hockt sich vor ihren Spind, um ihre Schuhe herauszufischen. Ich muss hier mal ausmisten, denkt sie, es stinkt, und alles fällt raus, wenn man die Tür öffnet. Einen Sauhaufen habe ich daraus gemacht. Alte Jeans und ein Pullover mit Snoopy-Logo, der mal Roos gehört hat. Es sieht verboten aus. Anästhesisten laufen in Lumpen herum, sie haben ohnehin kaum mal ihre eigene Kleidung an. Man verschleißt nichts, der Kleiderschrank hängt voll ungetragener Sachen, die einem schon lange nicht mehr gefallen. Aber was soll’s, sie hat jetzt keine Zeit mehr, nach Hause zu fahren. Dann eben Snoopy.
    Der Audi gleitet in dem Moment heran, da sie durch die Drehtür ins Freie tritt. Drik beugt sich zur Beifahrerseite, um ihr die Tür aufzumachen, und Suzan schlüpft ins Auto.
    »Ich habe nichts mitgenommen. Medikamente, meine ich. Für den Fall, dass sie nichts dahaben.«
    Drik fährt schweigend auf die Autobahn. Suzan horcht auf das Klopfen des Motors und versucht an nichts zu denken. Wie lange dauert es, bis die Stille auffällig, verdächtig wird? Wie lange muss man schweigen, bevor der andere zu ahnen beginnt, dass man etwas zu verschweigen hat?
    Nach anderthalb

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