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Die Bettelmoenche aus Atlantis

Titel: Die Bettelmoenche aus Atlantis Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stefan Wolf
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sagte eine verschlafene Kinderstimme. »Gib mir deinen Vater!«, verlangte Salwa. »Ich war vorhin in seiner Praxis und kriege jetzt wahnsinnige Schmerzen.« »Tut mir Leid«, sagte das Mädchen. »Meine Eltern sind nicht da. Aber sie haben die Nummer aufgeschrieben. Wenn Sie dort anrufen wollen? Sie sind nämlich bei Widmanns.« »Bei ... « Er stockte. »Wo?«
    »Bei Widmanns, unseren Freunden.«
    Für etwa drei Sekunden vergaß er seine Schmerzen.
    »Du meinst den Gastwirt Herbert Widmann, der... Ich meine, der hat einen Sohn. Uwe, nicht wahr?«
    »Ganz recht.« Regina gähnte. Sie war neun Jahre alt, hatte schon geschlafen und wollte ins Bett zurück. »Soll ich Ihnen die Nummer geben?«
    »Moment noch, Regina. Deine Eltern sind also mit den Widmanns bekannt?«
    »Ich sag’s doch. Das sind unsere besten Freunde. Ich kann auch Uwe gut leiden, obwohl er nicht mit mir spielt. Aber er ist ja schon älter.«
    »Jetzt brauche ich die Telefonnummer nicht mehr«, sagte Salwa – mit so viel Sanftmut in der Stimme, als hätte er Kreide gefressen wie der Wolf im Märchen. »Die Schmerzen sind blitzartig verschwunden. Und da will ich deinen Vater nicht stören. Gute Nacht!«
    Er legte auf.
    Interessiert hatte Thibar das Gespräch verfolgt. Ein bösartiges Funkeln stand in seinen Fischaugen.
    »Ich glaube«, sagte er, »dem bist du ahnungslos ins Messer gelaufen – vielmehr unter den Bohrer geraten. Der wusste genau, in welchem Verhältnis du zu seinem Freund Widmann stehst. Die Füllung in deinem aufgebohrten Zahn entspricht vermutlich nicht dem neuesten Stand zahnärztlicher Wissenschaft. Vielleicht hat er ein Mittel reingetan, das vom Nerv als besonders störend empfunden wird.«
    »Störend?«, heulte Salwa. »Gift, reines Gift! Er foltert mich. Das ist die Rache für... für... Weil dieser Widmann... Verdammt! Was mache ich nur? Ich krepiere!«
    So arg wurde es nicht. Allerdings erlebte der berüchtigte Aufseher der JAA-Sekte die bisher schlimmste Nacht seines Lebens.
    Sicherlich – Thibar bemühte sich, dem Bruder im Geiste zu helfen. Zwei Dutzend Zahnärzte riefen sie an. Doch meistens blieb das Telefon stumm. Und dort, wo eine Verbindung zustande kam, meldete sich nur der automatische Anrufbeantworter, und die mehr oder weniger sympathische Stimme des Odontologen (Zahnkundigen) erklärte, dass die Praxis im Moment nicht besetzt sei und die Sprechstunde erst morgens um 9 Uhr beginne.
    Keine einzige Schmerztablette fand sich im Landhaus der Bettelmönche. Salwa rannte wie ein Irrer auf und ab.
    Der Genuss von Alkohol war nach den Regeln der Sekte verboten. Aber daran hielten sich die Aufseher nie. Heimlich tranken sie, wann immer sie Lust hatten.
    Salwa versuchte, den Schmerz mit Alkohol zu betäuben.
    Vergebens. Gegen Morgen konnte er kaum noch stehen. Außerdem sah er aus, als wäre er soeben aus dem Sarg gestiegen.
    Thibar fuhr ihn zur Stadt.
    Punkt neun Uhr saß Salwa auf dem Behandlungsstuhl eines anderen Zahnarztes.
    Die Betäubungsspritze wirkte. Endlich war er schmerzfrei. Der Zahnarzt bohrte den Zahn auf, entfernte die Füllung und roch daran. Er war bestürzt.
    »Hm. Ich will nicht wissen, wo Sie waren, wer Sie behandelt hat. Aber der Kollege scheint sich vergriffen zu haben. Sicherlich – Ihrer Gesundheit hat das nicht geschadet. Das Zeug ist ungiftig und für den Organismus völlig harmlos. Aber auf dem lebenden Nerv reitet es rum wie eine Nagelfeile. Dass Sie Schmerzen hatten, glaube ich Ihnen gern.«
    »Je... dem passiert... mal ... ein Irrtum«, sagte Salwa undeutlich, denn er durfte den Mund nicht schließen.
    Sein friedlicher Gesichtsausdruck verriet nichts von der Rachsucht, die jetzt sein Denken beherrschte. Sie ging weit über das hinaus, was Dr. Reiss sich erlaubt hatte.

7. Eine Wanze fürs Landhaus
    An diesem Vormittag schleppte der Unterricht sich hin.
    Tarzan wusste zwar, dass bei vermehrter Aufmerksamkeit die Zeit – scheinbar – schneller vergeht. Aber Konzentration fiel schwer, denn die Bettelmönche und ihre Untaten spukten ihm im Kopf herum.
    Studienrat Bäumler, bei dem sie auch Englisch hatten, kam zur 5. Stunde.
    Im Namen der Klasse überreichte Tarzan das Geburtstagsgeschenk. Gaby hatte den Bildband sehr hübsch verpackt. Auf der Glückwunschkarte standen die eigenhändigen Unterschriften aller 9b-Schüler. Studienrat Bäumler war gerührt und brachte im ersten Moment kein Wort hervor. Dann bedankte er sich herzlich und alle merkten: Das Geschenk war ein Volltreffer.
    Viel

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