Die Bettelmoenche aus Atlantis
Unterricht fand in dieser Stunde nicht statt. Ersatzweise erzählte Bäumler von seiner Leidenschaft, dem Reitsport, und immer wieder freute er sich über den großartigen Bildband.
Die 6. und letzte Stunde war frei. Aber die beiden externen TKKG-Mitglieder – Gaby und Karl – fuhren noch nicht nach Hause. Vielmehr gingen alle vier in den Park, wo um diese Zeit nicht viel Betrieb war.
Sie setzten sich auf eine Bank. Gaby, die ausnahmsweise mal einen weißen Faltenrock trug, schlug die Beine übereinander, strich die Ponyfransen nach oben und hielt das Gesicht in die Sonne.
Klößchen fummelte in der linken Hosentasche herum. Es sollte nicht auffallen, dass er dort eine Tafel Schokolade versteckt hatte. Aber das Papier raschelte, und man hörte auch, wie er ein großes Stück von der Tafel brach.
»Niemand erwartet, dass du was anbietest«, meinte Tarzan. »Also tu nicht so heimlich!«
»Ach«, meinte Klößchen, »ich war ganz in Gedanken.«
Er stopfte sich rasch die Backen voll und warf das leere Papier in einen Abfallkorb. Sofort hüpften einige Spatzen heran. Sie flatterten in den Korb und untersuchten das Schokoladenpapier. Doch Willi hatte nichts übrig gelassen.
»Was ist denn nun?«, fragte Gaby. Gemeint war Tarzan. »Du wolltest doch was vorschlagen!«
»Stimmt. Aber es ist gewissermaßen heikel. Halten wir zunächst mal fest: Was die Bettelmönche betrifft, ist die Polizei ziemlich hilflos. Bis jetzt konnte nicht geklärt werden, wo die fünf Jugendlichen und Uwe Widmann geblieben sind. Weshalb nicht? Weil...«
»... die Bettelmönche eisern zusammenhalten«, fiel Gaby ihm ins Wort. »Mein Papi sagt, die sind wie eine Mauer des Schweigens. Sie leugnen alles und zucken die Schultern. Aber wenn die Polizei keine Beweise – nicht mal Hinweise – hat, sind ihr die Hände gebunden.«
»Darauf will ich hinaus«, sagte Tarzan. »Wir brauchen Informationen. Wir müssen wissen, ob die Bettelmönche zu Recht verdächtigt werden. Sicherlich – wir sind überzeugt davon. Aber das berechtigt nicht, dass man – beispielsweise – nach Tunesien reisen und die Opfer befreien würde.«
»Was?«, staunte Klößchen mit geöffnetem Mund. »Hast du das vor?«
»Warum nicht, wenn es sinnvoll ist. Aber so ein Unternehmen muss auf einer soliden Grundlage stehen. Deshalb plane ich einen Lauschangriff auf die Bettelmönche.«
»Einen Lauschangriff?«, fragte Klößchen. »Was soll das heißen?«
»Wir hören sie ab. Wir belauschen ihre Gespräche. Das meine ich.«
»Aber wie?«, fragte Gaby. »Glaubst du, dass du was hörst, wenn du dich draußen beim Landhaus unter einem Fenster versteckst?«
»Nicht beim Fenster«, antwortete Tarzan, »sondern 100 Meter vom Haus entfernt hinter den Bäumen.«
Karl pfiff durch die Zähne. »Das ginge ja nur, wenn im Landhaus ein Minispion wäre. Ein Abhörgerät. Auch Wanze genannt.«
Tarzan nickte.
»O weh!«, unkte Karl. »Das verstößt gegen das so genannte Schwarzsender-Gesetz von 1928. Das gilt, abgemildert allerdings, für jeden, der heutzutage mit elektronischen Minispionen einen anderen abhört. Ausgenommen sind nur Militärischer Abschirmdienst, Bundesnachrichtendienst und die Verfassungsschutzämter. Die dürfen – unter bestimmten Bedingungen – andere Bundesbürger abhören. Für alle anderen aber gilt: Wer eine Fernmeldeanlage ohne Genehmigung errichtetoder betreibt, kann bis zu fünf Jahren ins Gefängnis kommen. Und der Betrieb eines Minispions gilt schon als Betrieb einer Fernmeldeanlage.«
Tarzan wischte durch die Luft. »Erstens wird es außer uns niemand erfahren. Zweitens dient es einer guten Sache. Und da heiligt der Zweck die Mittel.«
»Im Mittelalter«, sagte Karl, »nagelte man Lauscher, die erwischt wurden, mit dem Ohr an die Wand. Daher stammt der Name ›Schlitzohr‹. Heute freilich spricht man von Abhörspezialisten. Aber in der Praxis kommt es aufs Gleiche raus. Das Ulkige ist: Lange Zeit durften Minispione frei verkauft werden. Und ein paar Hunderttausend befinden sich – nach Schätzungen der Bundespost – in Privatbesitz. Aber es war immer strengstens verboten, die Dinger zu benutzen. Irre, was! Dabei ist die Technik gerade auf diesem Gebiet enorm weit. Ein Berufsspion kann durchaus folgendes: Er betritt in Rom eine Telefonzelle, wählt eine Nummer in Kopenhagen an und hält kurz vor dem ersten Rufzeichen ein etwa streichholzschachtelgroßes Gerät an die Hörmuschel. Sein Gerät sendet einen winzigen Piepser aus – etwa so, als
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