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Die Bettelprophetin

Die Bettelprophetin

Titel: Die Bettelprophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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wahrgenommen, ahnte auch die Ursache hierfür, aber sie zwang sich zur Konzentration. Am Ende jedoch, als sie gemeinsam den
Engel des Herrn
beteten, spürte sie so deutlich diesen vertrauten Blick auf sich ruhen, als wäre es eine Berührung.
    Fast zeitgleich mit dem
Amen
umringte auch schon eine dichte Menschentraube den Neuankömmling. Jeder wollte Patriz Seibold die Hand schütteln und erfahren, wie es ihm ergangen sei in den letzten Wochen. Andere drängten ihn, die Kommunion zu spenden, die sie schon so lange hatten entbehren müssen.
    «Morgen, morgen früh», vertröstete er sie lachend. «Lasst mich doch erst einmal ankommen. – Theres! Warte! Wo willst du hin?»
    Sie hatte versucht, sich unbemerkt zur Tür hinauszuschleichen.
    «Muss in die Küche – mithelfen. Jetzt, wo so viele   …» Vor lauter Verlegenheit stammelte sie wie ein kleines Mädchen, das dem Schulmeister vorgeführt wurde.
    Patriz Seibold warf einen fragenden Blick auf den Metzlerbauern. Der zuckte mit den Schultern.
    «Da isch Hopfa und Malz verlore. Sie will unbedingt mitschaffe, wie alle andern hier.»
    «Dann sehen wir uns beim Abendbrot?»
    Theres nickte. «Sehr gern.»
    Als Theres und die Köchin eine Stunde später heiße Erdäpfel und einen Krug Roten zu Tisch brachten, waren die Auswärtigen bereits alle aufgebrochen, und Patriz Seibold saß inHemdsärmeln, mit strahlendem Gesicht, inmitten der Voglersippe.
    «Setz dich zu mir, Theres», bat er sie.
    Sie ließ sich auf der Fensterbank nieder und nahm den Becher Wein entgegen, den Patriz Seibold ihr reichte. Wie ein glühender Funke durchfuhr sie dabei die kurze Berührung seiner Hand. «Du weißt gar nicht, wie glücklich mich das macht, Theres. Dass du hier deinen Platz gefunden hast. Und wie wunderbar du die Andachten leitest.»
    Der alte Metzler lächelte ihr wohlwollend zu, während seine Frau Else neben ihm die Lippen zusammenkniff.
    «Wie ich sehe, bin ich also durchaus ersetzbar. Auch das macht mich froh.»
    «Aber   – Sie kommen doch bald wieder zurück zu uns?»
    «Sicher. Ich hab schon etliche wichtige Männer auf meiner Seite.»
    «Ja, hoffentlich!», polterte Metzler. «Dieser Rotzaff von Nesensohn soll bloß wieder verschwinden.»
    Der Pfarrer nickte: «Es ist nur eine Frage der Zeit, bis sich auch die Rottenburger Geistlichen gegen den Dekan und den Bischof aussprechen. Dann werden die beiden meine Suspension zurücknehmen müssen. Übrigens – kommt mein Freund Eduard gar nicht herauf zu euren Andachten?»
    Tatsächlich flog in diesem Augenblick mit einem Schwall kalter Luft die Stubentür auf, und Fabrikant Eduard Erpf sowie sein Geschäftspartner, ein älterer Schweizer Kaufmann namens Valier, der mit einer Ravensburgerin verheiratet war, stolperten herein. In ihrer Mitte hielten sie im festen Griff einen Polizeidiener. Theres schrak zusammen: Es war ebenjener Mann, der sie an Allerseelen hatte festnehmen wollen.
    «Den haben wir eben gerade an der Haustür aufgegriffen, wie er sich das Ohr daran plattgedrückt hat.»
    «Loslassen, sonst landen Sie vor Gericht!»
    «Nimm das Maul net so voll», Metzler baute sich vor ihm auf, «sonst landest du in der Güllegrube! Was hast überhaupt an meiner Tür zu lauschen?»
    Der Mann schob trotzig das Kinn vor. «Die da drüben», er warf einen verächtlichen Blick auf Theres, «hat sich nicht ordnungsgemäß abgemeldet aus dem Weissenauer Pfarrhaus. Das geht so nicht, dass die einfach so mir nichts dir nichts einzieht, wo sie grad will. Das Weib steht unter Beobachtung, das wisst ihr genau. Ihre Arrestierung ist noch nicht vom Tisch.»
    Da erst bemerkte er Patriz Seibold.
    «Und was tun Sie hier? Ich warn Sie, Seibold – die Sakramentspendung ist Ihnen von oberster Stelle verboten.»
    «In meinem Haus kann der Herr Pfarrer tun und lassen, was er will.» Metzler schob den Eindringling grob in Richtung Tür. «Und jetzt raus hier, aber schnurstracks!»
    «Fass mich nicht an!» Der Polizeidiener wollte ihn zurückstoßen, doch Metzler hatte ihm schon den Arm auf den Rücken gedreht und ihn durch die offene Tür gezerrt. Man hörte noch, wie sie sich im Flur anblafften: «Das wird Folgen haben, Metzler, das schwör ich dir!» – «Du willst uns drohen? Du elendes Arschbaggagsicht willst uns drohen?» Dann krachte die Haustür ins Schloss, und es wurde still.
    Metzler rieb sich die Hände, als er wieder eintrat.
    «Den Quadratseggl semma los. Und jetzet feiern wir unser Wiedersehen!» Er schenkte Wein nach. «Wie

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