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Die Bettelprophetin

Die Bettelprophetin

Titel: Die Bettelprophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Pöbel hat ihm das Haus demoliert und gedroht, ihn totzuschlagen, wenn er meine Suspension nicht zurücknimmt. Es gehen die Gerüchte, dass der Teufel bei ihm als schwarzer Pudel aus und ein gehe und ihn nicht mehr die Messe lesen lasse. Der Dekan soll mittlerweile vor Angst stumm geworden sein.» – Seibold sah auf und lächelte sein jungenhaftes Lächeln. Theres durchfuhr ein warmer Schauer. Es faszinierte sie immer wieder, was für unterschiedliche Gesichter der Pfarrer hatte. Mal war er der kluge Prediger, mal der entschlossene Kämpfer, dann wiederum wirkte er wie ein vergnügter Bub.
    Als von draußen jemand seinen Namen rief, wurde sie aus ihren Gedanken gerissen. Patriz Seibold erhob sich und tratzum Fenster, an das die ersten Schneeflocken dieses Winters schwebten. «Der Metzlermathis ist da. Hast du alles gepackt?»
    «Es ist ja nicht viel.» Theres ergriff den kleinen Lederkoffer, den der Pfarrer ihr geschenkt hatte.
    «Warte.» Seibold nahm ihr das Gepäckstück ab. «Ich bring dich hinunter.»
    «Alsdann.» Käthe zog Theres in die Arme. «Behüt dich Gott. Ich werd dich vermissen.»
    «Aber – du wirst mich doch besuchen kommen? Zum Voglerhof hinauf ist’s doch nur eine halbe Wegstunde.»
    «Aber ja. Und nun geh.»
    Drunten wartete im Schneetreiben Matthis bei Pferd und Wagen. Der Pfarrer reichte ihm einen dicken Papierumschlag. «Gib das deinem Vater und grüß ihn von mir.»
    Dann half er Theres auf den Wagen.
    «Ich habe eine große Bitte: Halte du die Betstunden aufrecht, solange ich fort bin. Mit Bauer Metzler hab ich das abgesprochen.»
    «Aber das kann ich doch gar nicht. Ich bin nur eine Magd.»
    «Doch, du kannst das. Es geht um mehr als das Hersagen des Glaubensbekenntnisses und der Psalmen, es geht um innere Frömmigkeit und Hingabe. Das könnt ihr Frauen viel besser als wir Männer.»
    Er sah ihr fest in die Augen, einen Moment zu lang, nahm dann ihre Hand. «Versprich mir, dass du auf dich achtgibst. Jetzt aber schnell», er nickte dem Jungbauern zu, «bevor der Schnee die Wege vollends aufweicht.»
    Der Voglerhof lag auf halber Höhe in den Hügeln über dem Schussental. Das Anwesen war recht groß, wenn auch ein wenig heruntergekommen. Zumindest wirkte es jetzt so, im Schneematsch, unter dem schmutziggrauen Himmel, mit den feuchten Flecken auf den Gemäuern. An der Tür zum Wohnhauserwartete sie bereits Alfons Metzler. Sein breites Kreuz füllte den gesamten Türrahmen aus. Dieser vierschrötige, bärenstarke Kerl, vor dem jeder hier in der Gegend Respekt hatte, begrüßte Theres nun fast ehrfürchtig.
    «Willkommen auf dem Voglerhof! Bei uns bist sicher, Theres Ludwig. Hier wagt keiner der Büttel, seine Nas reinzustecken.» Kopfschüttelnd nahm er den Umschlag entgegen. «Ich hab dem Pfarrer doch gesagt, ich will kein Kostgeld net für die Theres.»
    Sein Sohn zuckte die Schultern, dann führte er Pferd und Karren weg.
    «Jetzet komm. Die andern warten schon und wollen dich begrüßen.»
     
    Die meisten der Bewohner kannte Theres bereits vom Sehen her. Da war diese Frau unbestimmbaren Alters, die, wenn sie nicht zusammenhanglos vor sich hin brabbelte, beseligt lächelte; das bildhübsche Mädchen, das beim Anblick jedes Mannsbildes sofort die Lippen schürzte und die Hüfte hin und her schwang; der hagere Alte, der noch nach dem zehnten Schoppen Roten aufrecht daherkam wie eine Zaunlatte; der kleine Bub, der vor jedem Bildstock, jedem Wegkreuz auf die Knie fiel; oder jene freundliche dicke Rothaarige, die an beiden Händen einen Finger zu viel besaß und den Ruf hatte, die flinkste Strickerin im ganzen Oberland zu sein.
    Doch selbst Tage nach ihrer Ankunft hätte Theres nicht sagen können, wer von dieser Schar zur Familie gehörte, wer zum Gesinde. Auf dem Voglerhof nämlich wurden alle gleich behandelt. Alle saßen sie am selben klobigen Holztisch, nahmen die Mahlzeiten ein, arbeiteten, beteten und sangen gemeinsam. Nur einer war gleicher als die anderen: Bauer Metzler als oberster Patriarch. Er hatte das letzte Wort, er konnte auch derb undausfallend werden, wenn’s sein musste, und wer sich ihm in den Weg stellte, wurde niedergewalzt. Alfons Metzler war ein Urvieh, doch wenn er sich ins Gebet versenkte, wurden seine Züge weich wie die eines Kindes.
    Sein Ältester, der wortkarge Matthis, würde bald den Hof übernehmen, für den sich der alte Bauer nur noch wenig interessierte, seitdem er vor Jahren den Glauben wiederentdeckt hatte und für seinen letzten Spargroschen bei der

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