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Die Bettelprophetin

Die Bettelprophetin

Titel: Die Bettelprophetin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Astrid Fritz
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Stube dann bemerkte Theres, wie dünn er geworden war, auch hatten sein Rock, seine Schuhe und Hosen schon mal bessere Zeiten gesehen. Und in seinem dunklen Haar schimmerten die ersten grauen Strähnen. Aber sein Lächeln hatte noch immer dieses Jungenhafte, seine hellen Augen strahlten wie eh und je.
    «Geht es dir gut, Theres?»
    Er betrachtete sie aufmerksam.
    «Ja, Herr Pfarrer. Dank all dieser Menschen hier. Sie geben so viel und haben doch oft selbst fast nichts.» Sie griff sich an den Hals und spürte das kühle Silber zwischen den Fingerspitzen. «Und Ihre Kette mit dem kleinen Fisch – sie hat mich immer beschützt!»
    Margrit bat den Gast, in ihrem Haus zu übernachten, aber Seibold lehnte ab. Er habe sich bereits in einem nahen Gasthof drüben in Waldburg eingemietet.
    «Aber dann bleiben Sie wenigstens zum Essen.»
    Er blieb bis spät in die Nacht. Erst musste Theres erzählen, wie es ihr ergangen war seit ihrer Gefangennahme durch die Ravensburger, dann berichtete er selbst von seiner Rundreise durchs ganze Oberland. Wenig Hoffnungsvolles war dabei herausgekommen, aber das schien ihn keineswegs zu entmutigen.
    Am Ende fragte Theres ihn: «War es sehr schlimm für Sie, die lange Zeit im Correctionshaus?»
    Seibold winkte ab. «Ich hab’s als eine Zeit der Besinnung genommen. Übrigens soll ich dich schön grüßen, von Dekan Forthuber, dem Rottenburger Anstaltsleiter. Du hattest damals für ziemliche Aufregung gesorgt, mit deiner Flucht. Nun ja, jedenfalls hofft er, dich nie mehr wiederzusehen, und ich habihm versichert», sein Blick wurde weich, «dass ich dafür schon sorgen werde.»
    Sie erwiderte seinen Blick. Heiß und kalt zugleich wurde ihr im Inneren. Der Würzwein, den Margrit zur Feier des Tages bereitet hatte, musste ihr zu Kopf gestiegen sein, und sie dachte ununterbrochen daran, wie gerne sie jetzt mit dem Pfarrer allein wäre. Mit Patriz – denn so nannte sie ihn in Gedanken schon seit langem.
    «Es wird höchste Zeit.» Seibold erhob sich und schüttelte dem Forstwart und dessen Frau die Hand. «Danke für das gute Essen, und vergelt’s Gott.»
    Er sah zu Theres, die ebenfalls aufgestanden war. «Wenn du nichts dagegen hast, komm ich morgen früh und begleit dich in dein nächstes Quartier, zur Sägmühle.»
    «Das würden Sie tun?»
    Er nickte. «Sogar sehr gern. Von dort aber muss ich schleunigst weiter. Mein Bruder ist krank geworden, du weißt doch, der, der auch Pfarrer ist, nicht weit von Ulm. Ich will nach ihm sehen.»
     
    Noch vor dem ersten Hahnenschrei war Theres bereits hellwach, obwohl sie alle so spät zu Bett gegangen waren. Sie räumte ihre Strohmatte beiseite, auf der sie mitten in der Stube geschlafen hatte, und machte sich ans Einfeuern.
    «Du bist schon auf?» Margrit stand in der Tür, in Hemd und Nachthaube.
    «Ich konnt einfach nicht mehr schlafen.» Theres lächelte verlegen. «Ist es denn weit, zu meiner nächsten Unterkunft?»
    «Zwei, drei Wegstunden nur. Eine Mühle auf Tettnang zu.»
    Schade, dachte Theres. Wegen ihr hätte es ein ganzer Tagesmarsch sein können. Margrit schien ihre Gedanken gelesen zu haben.
    «Ihr seid euch sehr verbunden, du und der Pfarrer, gell?»
    «Ja», erwiderte Theres nur. Sie hatte Margrit von der ersten Sekunde an gemocht, doch was sollte sie ihr hierzu sagen?
    «Ach, Theres, ich wünsch mir so, dass alles wieder ins Lot kommt. Der Pfarrer ist so ein guter Mensch. Noch so was wie neun Monate im Arbeitshaus hält der net durch.» Sie seufzte. «Was sind das nur für Zeiten! Alles geht drunter und drüber, die Armen werden immer ärmer, die Reichen reicher, und unserer Hände Arbeit wird nimmer gebraucht, weil’s bald überall Maschinen dafür gibt.»
    «Aber einen Forstwart wird’s immer brauchen.»
    «Ja, da hast recht.» Margrit lachte. «Weißt, was ich gestern Abend gedacht hab? Ihr zwei, du und der Pfarrer, ihr solltet aufeinander achtgeben. Wärst du ein Kerl, würd ich sagen: Bleib bei ihm. Aber so?» Sie schüttelte den Kopf. «Eigentlich ist’s nicht recht, dass ein gestandenes Mannsbild wie der Seibold sein Lebtag ohne Frau bleiben soll. Bei den Evangelischen geht’s doch auch.»
    Theres spürte, wie sie rot anlief.
    «Ich geh schon mal in die Küche und mach Feuer im Herd», sagte sie mit gesenktem Blick.
    Stunden später, als die Sonne schon recht hoch am Himmel stand, traf Patriz Seibold ein, und Theres verabschiedete sich herzlich von ihrer Gastfamilie. Den ersten Teil ihrer Wegstrecke, den Hügel hinauf bis zur

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