Die Bettelprophetin
aufstellen!», befahl Urban, während er gleichzeitig Theres zurückhielt. «Los, hinter den Wagen», flüsterte er, «Von da rüber zur Remise vom
Kronprinz
.»
«Danke!», gab sie ebenso leise zurück. Dann tauchte sie ein in den Nebel. Hinter sich hörte sie Urban rufen: «Abzählen!», und bald danach losbrüllen: «Ja Kruzifix! Wo ist die Ludwig? Wer hat die Ludwig gesehen?»
Aber da hatte sie schon jemand beim Arm in einen kleinen Hof gezogen. Es war Matthis, der Jungbauer. Sein Vater saß bereits hoch zu Ross. Er reichte Theres die Hand und hievte sie mit Matthis’ Hilfe hinter sich in den Sattel. Dann sprang auch der Jungbauer auf sein Pferd.
«Los geht’s!»
Sie stießen ihren Pferden die Hacken in die Seite und preschten aus dem Hof, die Straße hinunter und hinaus aus der Stadt.
Theres konnte sich kaum auf dem schwankenden Pferderücken halten und klammerte sich verzweifelt an Metzlers breites Kreuz. Unwillkürlich dachte sie an ihren falschen Rittmeister, wie der sie damals um ihr Glück betrogen hatte. Wie kreuzdumm sie gewesen war!
Sie verließen die Straße zum freien Feld hin, auf dem der Hufschlag kaum zu hören war, und Theres fragte sich, wie die Tiere bei diesem Nebel und dieser rasenden Geschwindigkeit ihren Weg fanden.
«Hoimwärts finde die alleweil», rief Metzler nach hinten, als hätte er ihre Gedanken gelesen. Erst als es spürbar bergauf ging, wurden die Tiere langsamer. Da tauchten bald schon wie aus dem Nichts erst der alte Walnussbaum, dann die Dächer des Gehöfts auf. Sie hatten es geschafft.
Metzler zügelte sein dampfendes Ross. Von allen Seiten strömten sie herbei, die Kinder, Pauline und die alte Käthe vorweg, jeder wollte sie berühren und umarmen. Wer fehlte, war Else Metzler. Und Patriz Seibold.
«Sie werden sich denken, wo ich bin», murmelte Theres.
«Na und?» Metzler wischte sich den Bierschaum von den Lippen. «Fünf Mann bewachen den Hof, Tag und Nacht. Bewaffnet! Die werden’s net wagen, vorerst jedenfalls.»
Sie hatten eine Dankandacht gehalten drüben in der Scheune, denn nur die hatte die vielen Menschen fassen können. Jetzt saßen sie im kleinen Kreis in der Stube bei Bier und einem Laib Brot, um das Weitere zu besprechen. Else Metzler lag in ihrer Kammer, ihr sei nicht wohl, seit einigen Tagen schon.
Theres gab sich einen Ruck. «Wo ist der Herr Pfarrer?»
«Wieder unterwegs.» Metzler schenkte ihr nach. «Glaub mir, er hat g’macht und versucht, was er konnt, um dich zurückzuholen. War sogar beim Oberjustizrat Wiest und dem seinen Bruder, dem Justizprokurator, die beide fest auf unsrer Seite stehn. War aber umsonst. Da hat er sich dacht: Dann halt gleich in die Höhle des Löwen, und ist auf nach Rottenburg. Er sagt, dort sind net alle Geistlichen auf der Seite des Bischofs, es würd also noch Hoffnung geben für unsre Sach!»
«Hat er – hat er eine Nachricht für mich gelassen?»
Metzler schüttelte den Kopf. «Noi! Nur dass wir dich aus der Schusslinie bringe sollet.»
Theres fühlte die Enttäuschung wie einen Klumpen im Magen. Patriz Seibold sah sie also nur als seinen Schützling an, nichts weiter. Wie hatte sie sich bloß etwas andres zusammenspinnen können!
«Unser Plan ist», fuhr der Bauer fort, «dass dich erholst für eine paar Tage. Bist ja dürr g’worden wie ein Bohnenstecken! Dann ziehst von einem Hof zum andern. Hochoffiziell weiß keiner, wo du bist, aber alle sind eing’weiht. Derweil versuch ich, für dich das Bürgerrecht von Thaldorf zu kriegen.»
Theres nickte. «Danke! Danke für alles.»
Die letzte Frage, nämlich ob er vom Verrat seiner Frau wisse, wagte sie nicht zu stellen.
In der Woche darauf erhielt Bauer Metzler ein Schreiben des Oberamtsgerichts: Falls er Theres nicht binnen acht Tagen herausgebe, würde man ihn vor Gericht laden. Ihm drohe verschärfter Arrest und der Delinquentin Theres Ludwig das Zuchthaus.
Metzler lachte darüber nur.
«Diese Bettenbronzer! Würden die’s ernst meinen, wären sie längst hier g’wesen.»
Vorsichtshalber aber beschloss man, dass Theres noch vor Weihnachten untertauchen sollte. Inzwischen hatte auch der Gemeinderat von Thaldorf, zu dem die Parzelle Voglerhof gehörte, sich hinter Theres gestellt und ihr das Bürgerrecht verliehen. Damit war sie eine der ihren, und noch die ängstlichste Seele unter den Bauern der Umgebung war nun bereit, Theres aufzunehmen, wann immer es nottat.
Fast war sie froh, vom Voglerhof wegzukommen, selbst wenn nun Tage oder
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